Mustererkennung
von einem eigenartigen Braun sind, wie mit Mercurochrom versetzt, irgendwie schil—lernd, mit Kupferoxid-Einsprengseln.
173. LUFTLANDEDIVISION
Sie erkundigt sich nach der amerikanischen Gattin. Stonestreet berichtet brav vom Launch einer Gurkengesichtsmaske, der Wegbereiterin eines neuen Produktsegments, und landet bei den Finessen des Placements im Einzelhandel. Das Essen kommt. Cayce konzentriert sich auf ihre frittierten Mini—Frühlingsrollen, stellt auf Auto-Nicken und periodisches empathisches Augenbrauenheben, froh, daß er den Konversationsball führt. Sie ist jetzt tief in diesem Wellental, wozu das halbe Glas Cabernet sein Teil beigetragen hat. Und sie weiß, es ist das beste, nett zu sein, zuzusehen, daß sie etwas in den Magen kriegt, und zu verschwinden.
Aber die Zippo-Grabsteine mit ihren existentiellen Elegien lassen sie nicht los.
PHU CAT
Restaurantkunst, die von den Gästen tatsächlich wahrgenommen wird, ist eine zweifelhafte Sache, vor allem für jemanden mit Cayces viszeralen und gleichzeitig diffusen Sensibilitä-
ten.
»Und als es dann so aussah, als ob Harvey Knickers nicht mitspielt …«
Kopfnicken, Augenbrauen heben, Frühlingsrolle kauen. Es klappt. Als er ihr nachschenken will, legt sie die Hand auf ihr Glas.
Und so übersteht sie den Lunch mit Bernard vergleichsweise problemlos, wenn auch immer wieder von einem der emblema—tischen Ortsnamen auf dem Zippo-Friedhof (CU CHI, QUI NHON) abgelenkt. Dann hat er schließlich gezahlt, und sie stehen auf.
Als sie nach der Rickson greift, die sie über die Stuhllehne gehängt hat, sieht sie hinten an der linken Schulter ein nagelneues, rundes Loch vom Durchmesser einer Zigarette. Die Ränder säumen winzige braune Perlen aus geschmolzenem Nylon. Durch das Loch sieht man ein graues Zwischenfutter, zweifellos die exakte Umsetzung irgendwelcher U.S.-
Militärnormen aus Zeiten des kalten Krieges, die die Otaku—Jackenmacher gründlich studiert haben.
»Ist was?«
»Nein«, sagt Cayce, »nichts.« Und schlüpft in die ruinierte Rickson.
In der Nähe des Ausgangs registriert sie dumpf eine flache Acrylglas-Vitrine, in der rund ein Dutzend Original-Vietnam—Zippos ausgestellt sind. Automatisch guckt sie genauer hin.
SCHEISSE AM SCHWANZ ODER BLUT AM BAJONETT
Was ziemlich genau ihre momentane Einstellung zu Dorotea wiedergibt, wenn sie auch in dieser Richtung vermutlich nicht viel tun kann und ihre Wut nur gegen sich selber kehren wird.
3 DAS
ATTACHMENT
Sie ist im Harvey Nichols, und prompt hat es sie ereilt.
Sie hätte es wissen müssen.
Wie sie auf Marken reagiert.
Sie ist in die Herrenabteilung hinuntergegangen, in der ver—messenen Hoffnung, wenn es irgendwo Buzz-Rickson-Jacken gäbe, dann bei Harvey Nichols, in dem viktorianischen Zuckerbäckerbau, der sich wie ein Korallenriff gegenüber dem U-Bahnhof Knightsbridge erhebt. Irgendwo im Erdgeschoß haben sie sogar Helena Stonestreets Gurkenmaske, Bernard hat ihr ja erzählt, wie er seine nicht unerheblichen Überredungskünste auf die HN-Einkäufer losgelassen hatte.
Aber hier unten, neben einem Tommy-Hilfiger-Display, ist es plötzlich über sie hereingebrochen, das Markending. Ohne die übliche warnende Aura. Manche Menschen brauchen nur eine Erdnuß zu sich zu nehmen, und schon schwillt ihr Kopf wie ein Basketball. Bei Cayce trifft es die Psyche.
Tommy Hilfiger schafft das immer. Doch inzwischen hatte sie sich schon in Sicherheit gewähnt. In New York hatte es geheißen, er sei auf dem absteigenden Ast. Wie bei Benetton, dachte sie, der Name würde zwar immer noch präsent sein, ihr aber nicht mehr gefährlich werden können, weil das eigentliche Gift versiegt war. Es muß mit dem Kontext zu tun haben, damit, daß sie hier nicht darauf gefaßt war. Wenn es losgeht, ist es die schiere Reaktion, wie wenn man auf Alufolie beißt.
Ein kurzer Blick nach rechts, und die Lawine ging ab. Ein ganzer Tommy-Hang, der in ihrem Kopf herunterdonnerte.
Mein Gott, wissen die das denn nicht? Das Zeug ist Abklatsch vom Abklatsch vom Abklatsch. Der dritte Aufguß von Ralph Lauren, der selber schon der dritte Aufguß von den Brooks Brothers ist, die sich wiederum an den Produkten von Jermyn Street und Saville Row vergriffen haben, um ihren Krempel von der Stange mit einer großzügigen Prise Polo-Wear und Regimental Stripes zu würzen. Aber Tommy ist eindeutig der Nullpunkt, das schwarze Loch. Es muß so eine Art Tommy-Hilfiger-Ereignishorizont geben, jenseits dessen man einfach nicht
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