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Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Titel: Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Windmann
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urteilen mehr als einmal – in die Hände eines Schönheitschirurgen begeben haben. Auf einem kleinen Foto sieht man, wie etwa Jennifer Rush vor rund zwanzig Jahren aussah, und daneben, auf einem weitaus größeren, den Istzustand ihres Gesichts: Schlauchbootlippe, festgetackerte Augenlider und eingepflanzte Fleischklumpen unter den Wangen prägen das heutige Antlitz der Sängerin.
    Neben den beiden Bildern hat Muddi notiert: »Oje!«
    Darüber prangt ein Bild von Sylvester Stallone und seiner Gattin. Vielleicht gab es Mengenrabatt, denn die beiden haben sich anscheinend gleich im Doppelpack unters Messer begeben. »Slys« Lippe ähnelt auffällig der von Jennifer Rush! Seine Frau hat eine völlig runzelfreie Stirn, und Sly scheint unter den Augen Köttbullar zu tragen.
    »O mein Gott, wie schrecklich!«, vermerkte Muddi am Rand der Fotos.
    Besonders schön finde ich Muddis Eintrag neben Mickey Rourkes Foto. »Mumiengesicht!« steht da, und ich kann dies nur bestätigen.
    Auch mein Mann ist entsetzt, als ich ihm das Bild zeige. Er schweigt eine Weile schockiert.
    »Schatz – ich liebe dich und deine Falten«, sagt er dann, fügt jedoch mit einem unverschämt breiten Grinsen hinzu: »Einen Vorteil hätte solch eine Komplettstraffung ja: Du könntest deine Lippen nicht mehr bewegen.«
    »Bitte? Rede ich schon genau so viel wie meine Mutter?«, frage ich entsetzt. Auch wenn ich genau weiß, dass mein Mann nur einen Scherz gemacht hat, bekomme ich von Zeit zu Zeit tatsächlich Angst, ich könnte im Alter so werden wie Muddi. So unglaublich redselig und pausenlos plaudernd, über dieses und jenes, über Dinge, von denen andere überhaupt nichts wissen wollen.
    »Bitte sag mir, wenn’s so weit ist, Schatz!«, sage ich zu Laszlo.
    Und er antwortet, wie meist in solchen Momenten: »Ja, is gut, Muddi.«
    Das wiederum macht mir klar, dass ich bereits auf dem besten Wege zum »Muddi-Dasein« bin. Vermutlich kann man diesen Prozess gar nicht aufhalten und nur froh sein, wenn man dann eine so unglaublich tolerante, verständnisvolle und ausdauernde Tochter besitzt wie meine Muddi.
    Später am Abend sitzen Laszlo und ich auf dem Sofa, er sieht sich ein Fußballspiel an, ich suche nach weiteren Markierungen meiner Mutter in den Zeitschriften.
    Ich lese den Reisebericht eines Journalisten, der sich einige Monate lang in Asien aufgehalten hat. Er war durch die Mongolei, durch Korea, China und schließlich durch Japan gereist – Philipps Land der Träume. Das hatte natürlich auch Muddi bemerkt. Und ihre Notizen sprechen Bände über ihre Meinung zu diesem Thema.
    »Was will man da?« lese ich. Und: »Zu Hause ist es doch am schönsten!« Außerdem: »Bekloppt!« Die letzte Aussage bezieht sich auf folgenden Text des Journalisten: »Der Japaner an sich ist höflich, zurückhaltend, souverän und äußerst hilfsbereit. Hakito Mifune begleitete mich von der Tür seines Ladens rund zwei Kilometer bis zur nächsten Bushaltestelle, nur um mir – dem Fremden – helfen zu können.«
    Normalerweise begrüßt meine Mutter exakt diese Eigenschaften – Souveränität, Höflichkeit, Zurückhaltung und Hilfsbereitschaft. Lediglich, wenn die Bewohner des Landes, das ihr Enkelsohn bereisen möchte, diese Vorzüge aufweisen, ändert sie abrupt ihre Meinung. Am liebsten würde sie Philipp weismachen, dass nur Verrückte einen Menschen zwei Kilometer bis zur nächsten Bushaltestelle begleiten.
    In diesem Augenblick fällt mir siedend heiß ein, dass ich meiner Mutter dringend noch mitteilen muss, dass ihr Enkelsohn am kommenden Wochenende nach Tokio fliegen wird. Alles ist gebucht, Flug und Hotelzimmer. Die Taktik ist nicht die schlechteste: Teilt man Muddi etwas erst unmittelbar vor dem Ereignis mit, erspart man sich wochenlange Debatten. Und die Zweifel an der eigenen Entscheidung, die sie einem ja durchaus einreden kann. Ich gehe zum Telefon.
    »Toi, toi, toi!«, ruft mir Lazlo hinterher. »Hals- und Beinbruch! Alles Gute und bis später – ich fahr dich dann auch in die Nervenheilanstalt, Schatz! Muss ich vorher noch Lebensmittel einkaufen, oder hast du für mich vorgekocht?«
    Ja, ich weiß, was ich an meinem Gatten habe … einen Partner, der der Wahrheit ins Auge blickt, in jeder nur erdenklichen Situation.
    Ich wähle Muddis Nummer, sie nimmt ab. Um Zeit zu gewinnen und mich noch ein wenig zu sammeln, beginne ich das Gespräch mit belanglosem Geplänkel.
    »Na, was machst du gerade?«
    »Ach Laura«, sagt sie und seufzt. »Der

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