Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)
für die große Reise. Das wichtigste Reiseutensil für die vier jungen Männer ist ihr Haarspray. Danach folgen die Glätteisen. Glatte Haare sind bei ihnen in . Glatte und unsagbar steif gesprayte Haare.
An diesem Abend hat Muddi pausenlos geredet. Laszlo und ich haben in unserem ganzen Leben noch nie so viel Wein getrunken wie am Abend vor Philipps Abreise …
Meine Mutter hatte selbstverständlich noch immens viele gute Ratschläge für den Aufenthalt ihres Enkelsohns im Land der aufgehenden Sonne.
»Du schreibst mir aber bitte sofort eine Postkarte!«, forderte sie. Und: »Nimm dir bitte warme Unterwäsche mit. Die haben da doch nichts.« (Nein, Muddi, die haben nur Temperaturen um die vierzig Grad …) Und dann wieder: »Iss etwas Anständiges. Versuch, Kartoffeln zu bekommen, wenn du Essen bestellst. Reis entwässert so.« Auch um seine Nachtruhe war sie besorgt: »Du wirst doch wohl nicht einfach so auf dem Boden schlafen?« (Doch. Gerade das ist dort traditionell und cool.) »Das ist definitiv nicht gut für deinen Rücken, der befindet sich doch noch in der Wachstumsphase!«
Und natürlich kriege ich auch noch mein Fett weg. »Ich begreife nicht, dass ihr ihn einfach so fliegen lasst, Laura!«, sagt sie und wendet sich dann wieder an Philipp: »Willst du nicht doch lieber für ein paar Tage in den Harz fahren? Wernigerode ist im Sommer unbeschreiblich schön!«
Am Tag darauf stehen wir am Abfluggate des Flughafens in Hamburg-Fuhlsbüttel. Mein Sohn hat sich auf der Fahrt dorthin noch dreimal vergewissert, dass er tatsächlich auch sein Glätteisen eingepackt hat.
»Das wäre ja so was von schrecklich, wenn ich das vergessen würde!«, teilt er mir mit, als wir vor dem Flughafengebäude parken.
Laszlo, Muddi und ich stehen nun also vor dem Abfluggate in Hamburg.
Ich schließe mein Kind in die Arme und sage: »Melde dich sofort, wenn du angekommen bist!«
Laszlo drückt Philipp und sagt: »Bitte melde dich sofort bei deiner Mutter, wenn du angekommen bist!«
Meine Mutter presst ihren Enkelsohn an sich und sagt: »Und du meldest dich sofort bei deiner Mutter, wenn du angekommen bist! Bei mir brauchst du dich nicht extra zu melden, es reicht ja, wenn du deine Mutter informierst. Aber eine Postkarte schickst du mir, ja?«
Das Kind antwortet … ja, ja und jaaa. Dann sind sie weg, alle vier Jungs.
Gemeinsam verdrücken wir drei Erwachsenen ein paar Tränchen auf der Panoramaplattform des Flughafens.
»Laura, ich geh erst ins Seniorenstift, wenn Philipp wieder heil zu Hause angekommen ist«, beschließt Muddi, während sie ihr Taschentuch herauskramt. »Oder auch gar nicht. Er muss ja wissen, dass seine Oma noch ein Zuhause hat. Und dass er auch weiterhin zu mir nach Hause kommen kann. Dahin, wo er Zeit seines Lebens gerne zu Besuch war. Da fühlt er sich wohl. Ich bleib zu Hause, allein schon wegen des Kindes!«
Jaaa, Muddi, denke ich, is gut, Muddi. Vorerst bin ich beruhigt, fürchte mich aber dennoch vor dem Tag, an dem Muddi beschließt, fünf Container zu bestellen, um ihren gesamten Hausstand, den wir eh nicht erben wollen, aufzulösen. Dieser Tag wird kommen. Das ist sicher. So sicher wie der donnerstägliche Einkauf mit Muddi in Buxtehude …
Nachwort
L iebe Töchter, liebe Mütter,
Sie haben sich vielleicht amüsiert, waren geschockt und haben die Geschichten in diesem Buch – so hoffe ich – mit Vergnügen gelesen. Alles, was ich erzählt habe, ist im Kern wahr und so geschehen, das beteure ich Ihnen.
Wenn sie mich auch oft nervt, so würde ich meine Mutter dennoch nie auf den Mond schießen. Warum, fragen Sie jetzt vielleicht.
Es gibt, so glaube ich, kaum ein engeres zwischenmenschliches Verhältnis als jenes zwischen einer Mutter und ihrer Tochter. Ausnahmen bestätigen die Regel. Vermutlich gibt es auch sehr enge Vater-Tochter- oder Mutter-Sohn-Beziehungen. Doch schon allein, weil Muddi und Tochter beide Frauen sind, ergibt sich zwischen ihnen ein anderes, tieferes Verständnis füreinander.
Von Zeit zu Zeit allerdings ist das Verhältnis gestört, weil zwischen beiden Frauen zeitlich eine ganze Generation Abstand liegt.
Mich selbst strengt es oft extrem an, wenn meine Mutter jammert und wehklagt. Vielleicht ist das so, weil ich meine Mutter noch nicht zum alten Eisen zähle. Weil ich sie immer noch so sehe, wie sie als jüngere Frau war. Taff, organisiert und auf Zack.
Aber dann denke ich darüber nach, wie sich mein Sohn fühlen wird, wenn ich ihm dereinst in Muddi-Manier
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