Mylady Adelshochzeit 01
sich nicht bewegt, bis ich ihn mir näher angesehen habe.“
„Natürlich.“
Er ließ sie stehen, um dem beleibten Gentleman zu helfen, die Dame aus dem Wagen zu befreien, was nicht ohne den Anblick zahlreicher Unterröcke vonstattenging, bis die Frau endlich sicher auf ihren Füßen stand.
„Sind Sie verletzt, Madam?“, erkundigte sich Roland.
„Bestimmt bin ich am ganzen Körper grün und blau“, gab sie bissig zurück. „Zweifellos werde ich große Schmerzen erdulden müssen, aber ich erwarte nicht, dass Sie das kümmert. Schicken Sie nach einem Wagen, der uns von hier fortbringt. Wir sind in Eile …“
„Das habe ich vermutet“, meinte Roland trocken. „Aber Sie wissen ja, wie es heißt: ‚Eile mit Weile‘. Der Unfall wird Sie nun zweifellos mehr Zeit kosten, als Ihnen die überhöhte Geschwindigkeit zuvor gewonnen hat. Ich bin sicher, Ihr Kutscher wird mir zustimmen. Sobald er wieder bei Sinnen ist, heißt das.“
„Seien Sie gefälligst nicht so unverschämt. Wenn Sie Ihr Kind unter Aufsicht behalten hätten …“
„Das Kind ist nicht der Sohn Seiner Lordschaft“, unterbrach Charlotte. Ein Lächeln stahl sich in ihr Gesicht, als sie sah, wie der Frau vor Erstaunen der Mund offen stand.
„Seiner Lordschaft?“, brachte die Dame schließlich hervor.
„Sie richteten Ihre Schimpftirade an den Earl of Amerleigh“, fuhr Charlotte mit einem Blick auf Roland fort, der sich abgewandt hatte, um sein Lachen zu verbergen.
Die Frau wirbelte herum und musterte Roland von Kopf bis Fuß, als könne sie nicht glauben, dass dieser raubeinige Mann im schäbigen Arbeitsanzug tatsächlich ein Mitglied des Adels war.
„Die Dame scherzt nicht“, warf Travers ein. Er hielt die Pferde, die zum Glück unverletzt waren. „Sie sollten Seiner Lordschaft also etwas mehr Respekt zollen, besonders wenn Sie möchten, dass er Ihnen hilft.“
„Oh, selbstverständlich. Mylord, ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Das muss der Schock gewesen sein. Bitte verzeihen Sie. Ich habe Sie für einen …“ Sie brach ab, denn sie wagte es nicht, in Worte zu fassen, wofür sie ihn gehalten hatte.
„Ich nehme es Ihnen nicht übel, Madam“, erwiderte Roland, bemüht, nicht über die völlige Kehrtwendung der Frau zu lachen. An Travers gewandt, fuhr er fort: „Meinst du, wir können die Kutsche wieder auf die Räder stellen?“
„Warum nicht?“
Die Männer, beide außergewöhnlich groß und stark, gingen hinüber zur Kutsche, und nach einigem Heben, Schieben, Schaukeln und Schubsen gelang es ihnen, das Gefährt aufzurichten. Mit prüfendem Blick ging Roland um den Wagen. „Ich denke, man kann damit fahren“, sagte er schließlich. „Wenn Sie es langsam angehen, kommen Sie damit wohl bis zur nächsten Poststation.“
„Vielen Dank, Mylord“, meinte der Mann. „Doch Greaves ist offenkundig nicht in der Lage, uns zu kutschieren. Würde Ihr Bediensteter vielleicht …“
„Was sagst du dazu, Travers?“, fragte Roland. „Magst du dich als Kutscher betätigen?“
Der Corporal grinste. „Sehr wohl, Sir, aber was ist mit der Mauer?“
„Die machen wir morgen fertig. Miss Cartwright und ich werden den Jungen nach Hause zu seiner Mutter bringen. Ich bin mir gewiss, Mr. …“
„Halliwell“, sagte der Mann. „James Halliwell, zu Ihren Diensten, Mylord. Ich werde Ihren Bediensteten selbstverständlich mit den nötigen Mitteln für seine Heimkehr ausstatten.“
„Dann sollten Sie nun vielleicht Greaves in den Wagen helfen, damit Sie aufbrechen können.“
„In den Wagen?“, quiekte Mrs. Halliwell und musterte den Kutscher entsetzt, der sich zwar aufgesetzt hatte, aber immer noch recht benommen wirkte. Offensichtlich empfand sie es unter ihrer Würde, den Wagen mit einem Bediensteten zu teilen.
Aber auch Greaves war nicht wohl bei dem Gedanken, bei seiner Herrschaft zu sitzen, und er beharrte darauf, neben Travers auf dem Kutschbock Platz zu nehmen. Mit wackeligen Beinen kletterte er hinauf. Mr. und Mrs. Halliwell stiegen in die Kutsche, und Roland sicherte den defekten Wagenschlag mit einer Kordel, bevor Travers die Pferde antrieb und das Gefährt sich im Schritttempo entfernte.
Charlotte, die immer noch neben dem kleinen Tommy kniete, schaute ihnen einen Augenblick nach, bevor sie sich wieder dem leise stöhnenden Jungen zuwandte.
„Glauben Sie, er hat weitere Verletzungen davongetragen, außer am Kopf?“, fragte sie und strich dem Jungen sanft über die schmutzige Wange. „Er kann wegen
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