Mylady Adelshochzeit 01
sein, wieder in der Heimat zu weilen“, hörte er plötzlich jemanden sagen.
Roland wandte sich um und sah Lord Gilford neben sich stehen. „Ja, ein wenig.“
„Sie kommen über die Runden, oder?“
Er war verärgert über die unverschämte Frage, aber zu höflich, um dies zu zeigen. „Gewiss.“
„Das freut mich. Aber Sie sind nicht verheiratet …“
„Nein.“
„Doch Sie denken darüber nach? Immerhin muss sich ein Junggeselle mit Titel und großem Anwesen zu gegebener Zeit nach einer Braut umsehen.“
„Das versteht sich von selbst, aber im Augenblick ziehe ich eine Ehe nicht in Betracht.“
„Nicht? Dann sollten Sie vielleicht Vorsicht walten lassen und den Lästerzungen nicht noch mehr Anlass zu Klatsch geben.“
„Was wollen Sie damit sagen?“
„Meine Gemahlin erzählte mir, dass man Sie oft in Miss Cartwrights Gesellschaft sieht, ganz ohne Anstandsdame.“
Roland war wütend, und diesmal machte er sich nicht die Mühe, dies zu verbergen. „Das, Sir, ist ganz allein meine Angelegenheit.“
„Nun, ich will Ihnen ja nicht dreinreden, aber diese Frau ist kein guter Umgang für Sie. Ihr Vater und Cartwright sind Erzfeinde gewesen, und der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Sie reitet umher, als ob ihr das ganze Dorf gehöre. Ich rate Ihnen gut, verschaffen Sie sich Geltung, und verweisen Sie diese Person an ihren Platz, bevor Sie von ihr nach Gutdünken gegängelt werden.“
Roland entsetzte die Unverschämtheit des Mannes. „Ich lasse mich von niemandem gängeln oder bevormunden“, erklärte er kalt.
„Natürlich nicht. Aber wussten Sie, dass ihr Vater ein einfacher Webereiarbeiter war, bevor er die Tochter des Webereibesitzers heiratete und daraufhin Direktor wurde? Er hat sein Vermögen als Handelskaufmann verdient.“ Die Betonung des Wortes Handelskaufmann verriet seine Geringschätzung. „Miss Cartwright ist keine von uns, Amerleigh, und wird es auch nie sein. Außer von Lady Brandon, die allerdings kaum von Bedeutung ist, wird sie in vornehmen Kreisen nicht empfangen. Das sollten Sie besser nicht vergessen.“
„Wie kommen Sie zu der Annahme, dass ich mich mit dem Gedanken trage, diese Dame zu umwerben oder überhaupt eine Dame, wenn man es genau nimmt?“ Roland gemahnte sich, Ruhe zu bewahren, denn der Mann war sein Gastgeber, und es würde von schlechten Manieren zeugen, wenn er sich ihm gegenüber ungehobelt benahm. Indes konnte er den Zorn in seiner Stimme nicht verbergen, obwohl er sich redlich bemühte, die Beherrschung zu bewahren.
„Ruhig Blut!“ Seine Lordschaft hielt beide Hände abwehrend vor sich. „Ich wollte mich Ihnen gegenüber keineswegs unhöflich oder respektlos zeigen. Ich sagte meiner Gattin bereits, dass dieses Gespräch kein guter Gedanke sei, indes bestand sie darauf, dass ich Sie warne …“
„Mich muss man nicht warnen“, erwiderte Roland frostig.
„Aber danken Sie Lady Gilford in meinem Namen.“
Nach diesen Worten drehte er sich um und ging davon, aus dem Raum und durch einen Wintergarten hinaus in den Park.
Die Nacht war sternenklar. Er hörte das Orchester einen Walzer spielen und musste unvermittelt wieder an Charlotte Cartwright denken. Machte es ihr etwas aus, von der Gesellschaft ausgestoßen zu sein? Er hatte von ihrem Fest gehört, das sie heute geben wollte. Mrs. Biggs hatte ihm davon erzählt. Die gesamte Familie Biggs wollte daran teilnehmen, selbst Hannah war eingeladen und ob er so gut sein wolle, ihr am Abend freizugeben. Natürlich hatte er zugestimmt und sich fast gewünscht, er könnte ebenfalls hingehen. Selbst aus dieser Entfernung konnte er die Musik hören.
Er ging ins Haus zurück, suchte seine Gastgeberin und verabschiedete sich, sehr zu ihrem Verdruss. Dann ging er wieder in die Nacht hinaus, doch statt sich auf den Heimweg zu machen, folgte er dem fröhlichen Klang von Gelächter, das von der Straße, die von Amerleigh nach Scofield führte, zu ihm herüberdrang.
Kurz vor Scofield traf er auf die Prozession. Angeführt von einer Blaskapelle, die sehr laut einen Marsch spielte, strebten sämtliche Dorfbewohner in ihrem Sonntagsstaat singend und Flaggen schwenkend der Weberei zu, vor deren weit geöffneten Toren Miss Cartwright stand. Er sah zu, wie die Männer und Frauen, unter denen er auch Corporal Travers und einige andere seiner Bediensteten ausmachte, an ihr vorbei in die hell erleuchtete Weberei paradierten.
Charlotte wollte ihnen gerade folgen, als sie den Earl in seiner feinen Abendgarderobe auf der
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