Mylady Adelshochzeit 01
gemacht haben, als ich es erwartet hätte.“ Er nahm ihre Hand und führte sie an seine Lippen, zog den Kuss ein wenig in die Länge und wünschte sich, er würde es wagen, sie auf den Mund zu küssen. Doch er wusste, dass er dann bis in alle Ewigkeit verzaubert sein würde.
Es dauerte einige Augenblicke, bis er ihre Hand losließ, und danach durchströmten sie Empfindungen, für die sie keine Worte fand. Ihr Herz schlug so rasend schnell, dass es ihr den Atem verschlug, und sie ballte unwillkürlich die Hände. Dieser Mann war gefährlich! Er bedrohte all das, wofür sie einstand. Sie musste wachsam sein, durfte nie die Vorsicht fallen lassen, sonst würde er sich womöglich ihr Vertrauen erschleichen und die Prinzipien, nach denen sie lebte, zerstören.
Nachdem er abgestiegen war, ließ sie das Pferd antraben. Als sie Amerleigh Hall hinter sich gelassen hatten, hörte sie sich selbst murmeln: „Denke immer daran, wessen Tochter du bist, Charlie Cartwright. Und vergiss nicht, wessen Sohn er ist.“
5. KAPITEL
Im Laufe der nächsten Wochen bekamen die Dörfler den Earl of Amerleigh des Öfteren zu Gesicht. Er veranlasste die nötigen Verbesserungen auf dem Anwesen, ließ die Cottages der Dorfbewohner reparieren, Fensterrahmen und Türen austauschen und anständige Jauchegruben graben. Auch in Amerleigh Hall herrschte geschäftiges Treiben – Maurer, Pflasterer, Parkettleger und Maler schwirrten umher, und gelegentlich traf eine neue Fuhre mit Teppichen und Möbeln ein. Die Countess war in ihrem Element.
Auch bei musikalischen Abenden, auf Teepartys und Picknicks in der Nachbarschaft traf man auf Seine Lordschaft, und die Gastgeberinnen schwärmten stets von seinen guten Manieren, während die Gastgeber ihn als feinen Kerl bezeichneten. Er machte kluge Konversation, tanzte, spielte Karten um vertretbare Einsätze, doch nicht mit einem Wort oder auch nur einer Geste verriet er, wen er als Gattin in Betracht zog. Man munkelte, dass er sich entscheiden würde, sobald die Renovierung von Amerleigh Hall abgeschlossen war und er selbst Gesellschaften gab. Und so warteten alle auf seine Einladung.
Charlotte hingegen ging Lord Amerleigh geflissentlich aus dem Weg. Unter dem Vorwand, ihr mangele es an Zeit, mied sie die gesellschaftlichen Anlässe, von denen sie wusste, dass er daran teilnehmen würde. Sie hatte schon immer das getan, was ihr beliebte, und Lady Brandon, die Einzige, die sie vielleicht zum Kommen hätte überreden können, war viel zu sehr damit beschäftigt, Martha Seiner Lordschaft vorteilhaft zu präsentieren, um ihre Freundin zu vermissen. „Lord Amerleigh ist oft bei uns zu Gast und erweist Martha höchste Aufmerksamkeit. Gewiss hegt er ernste Absichten“, erzählte Lady Brandon eines Tages, als sie sich zufällig in Shrewsbury trafen.
Charlotte lächelte und sagte nichts dazu, doch sie fragte sich insgeheim, ob Lord Amerleigh sich tatsächlich mit dem Gedanken trug, Martha einen Antrag zu machen, oder die Brandons lediglich deshalb so häufig aufsuchte, weil er zu höflich war, Lady Brandons ständige Einladungen abzulehnen. Zwar sollte sie dies nicht kümmern, doch irgendwie tat es das. Denn wenn sie darüber nachdachte, spürte sie immer einen gewissen Verdruss, obgleich sie sich weigerte, darin mehr als Verärgerung über diesen aufreibenden Mann zu sehen.
Sosehr sie sich bemühte, dies zu vermeiden, stand sie ihm doch gelegentlich von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Dann lächelte sie stets höflich und tauschte nichtssagende Nettigkeiten mit ihm aus, bevor sie sich verabschiedete, bemüht, das Flattern ihres Herzens nicht zu beachten.
Ihn überraschte ihre plötzliche Zurückhaltung, war er doch der Annahme gewesen, dass sich in der Nacht ihres Festes eine gewisse harmonische Beziehung zwischen ihnen entwickelt hatte. Doch nun blieb ihm nichts anderes übrig, als zuzusehen, wie sie sich hocherhobenen Hauptes immer weiter von ihm entfernte. Sie hatte eine Mauer um sich errichtet, so undurchdringbar wie die Mauern von Amerleigh Hall, und schien fest entschlossen, keinen in ihr Herz zu lassen.
„Du solltest öfter Gäste einladen“, sagte Lady Brandon eines Sonntagnachmittags zu Charlotte.
Sie saßen gemeinsam im Salon von Mandeville, tranken Tee und aßen Kuchen, und Charlotte wusste, dass ihrer Freundin offensichtlich etwas auf dem Herzen lag und sie beschlossen hatte, ihr dies mitzuteilen. „Du besitzt dieses wundervolle Haus, und niemand bekommt es je zu Gesicht, außer von
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