Mylady Adelshochzeit 01
anblickten.
„Charlotte, bitte hör mich an …“
„Gehen Sie zurück zu Miss Brandon“, wies sie ihn an. „Ich wünsche Ihnen beiden Glück. Von mir wird sie nicht erfahren, was hier geschehen ist.“
Er verharrte noch einen Augenblick, doch er wusste, er würde sie nicht umstimmen können. Leise murmelte er: „Auf Wiedersehen, Charlotte“, dann ging er an ihr vorbei und setzte seinen Weg fort.
Wütend fuhr sie sich übers Gesicht. Er hatte sie geküsst, weil es ihm ein Gefühl der Überlegenheit gab und sie erniedrigte, nicht mehr. Sie trocknete ihre Tränen und kehrte ins Haus zurück.
Wie sie den restlichen Abend überstand, konnte sie später nicht mehr sagen. Die Tuscheleien über ihn und Martha waren ihr nicht entgangen. Ein Gentleman sprach mit einer Dame nicht allein unter vier Augen, außer er wollte um ihre Hand anhalten. Martha hatte seinen Antrag zweifellos angenommen. Bald würden sie verheiratet sein und gemeinsam in Amerleigh Hall leben. Wie sollte sie es nur ertragen, ihn jeden Tag zu sehen, sich höflich zu geben, ohne ihm oder jemand anderem jemals gestehen zu können, wie sie im Herzen fühlte? Doch sie hatte keine andere Wahl, sie musste sich damit abfinden. Sie hatte gesagt, er bedeutete ihr nichts, nun musste sie es beweisen.
Roland fand in dieser Nacht keinen Schlaf. Immer wieder ging er in Gedanken die Begegnung mit Charlotte im Garten durch, die verletzenden Worte, die sie geäußert hatten, die, ebenso wie vor sechs Jahren, nicht mehr ungeschehen gemacht werden konnten. Doch Worte sagten nicht alles. Aus der Art, wie sie die Arme um ihn geschlungen und ein Feuer des Verlangens in ihm entfacht hatte, wusste er, dass er sich ihre Leidenschaft bei ihrem ersten Kuss nicht bloß eingebildet hatte. Und dass ihre Lippen die seinen suchten, selbst als er bereit war, sich von ihr zu lösen, verriet ihm, dass sie für ihn ebenso fühlte wie er für sie. Nicht zu vergessen ihre heftige Reaktion nach dem Kuss, in der er ihre Wut über die eigene Schwäche erkannte. Aber was hatte er erreicht, indem er sich so ungehörig benommen hatte, außer seine Neugier zu befriedigen? Nichts.
Er stand auf, frühstückte und machte sich auf dem Weg zum Dower House.
Lady Amerleigh war gerade erst aufgestanden, aber als man ihr sagte, dass er auf sie wartete, schlüpfte sie in einen seidenen Morgenmantel und kam zu ihm hinunter. „Komm, frühstücke mit mir“, meinte sie und ging ihm voran ins Speisezimmer.“
„Ich habe schon gefrühstückt.“
„Dann leiste mir Gesellschaft, während ich frühstücke, und erzähle mir, was letzte Nacht geschehen ist. Sagtest du nicht, Miss Brandon habe ihr Herz Mr. Elliott geschenkt?“
„Das hat sie auch. Die Dinge wurden mir gestern irgendwie aus der Hand genommen.“
„Das ist mir aufgefallen, wie übrigens jedem anderen auch.“ Sie setzte sich an den Tisch und deutete auf den Stuhl neben ihrem. „Setz dich doch, bitte, und nimm wenigstens eine Tasse Kaffee.“ Sie füllte zwei Tassen und stellte eine vor ihn. „Dann hast du ihr also keinen Antrag gemacht?“
„Natürlich nicht. Die törichte Person hat mich aus dem Zimmer geschleift, um mich zu bitten, bloß nicht um ihre Hand anzuhalten, ohne die Folgen ihres Handelns zu bedenken. Um ihren Ruf zu schützen haben wir uns darauf geeinigt, Lady Brandon zu erzählen, dass ich Martha einen Antrag gemacht habe, den sie nicht angenommen hat.“
„Und du denkst, damit ist alles erledigt, Roland? Sicher weißt du es besser. Lady Brandon wird die Entscheidung ihrer Tochter nicht hinnehmen, dessen kannst du dir sicher sein. Sie ist die beharrlichste, starrköpfigste Frau, die ich kenne. Sicher wird sie Martha so lange zusetzen, bis sie einwilligt.“
„Aber sie kann nichts tun, wenn ich gar nicht da bin, oder? Und Martha kann die Zeit nutzen, um ihre Mutter dazu zu bringen, ihre wahre Liebe zu akzeptieren.“
„Ich verstehe“, sagte sie langsam. „Wann willst du abreisen?“
„Sobald ich gepackt habe. Allerdings muss ich noch ein oder zwei Dinge vorher klären.“
„Ich wünschte, es wäre nie so weit gekommen, Roland. Ich war so glücklich, dich endlich wieder zu Hause zu haben, und ich werde versuchen, Lady Brandon dahingehend zu beeinflussen, dass sie mit Marthas Wahl einverstanden ist, damit du schneller zurückkehren kannst.“
„Ich habe selbst auch schon daran gedacht. Die Pfarrei in Scofield darf von mir vergeben werden, und die Stelle wird bald frei. Glaubst du, es würde etwas nützen,
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