MYLADY HOCHZEITSBAND Band 01
sie reifer geworden, und obwohl sie sich immer beherrscht gegeben hatte, war sie früher von einer Unbekümmertheit beseelt gewesen, die sie jedem eine lange Nase hatte drehen lassen, der sie verspottete. Diese Unbekümmertheit aber schien nun verschwunden. Vielmehr wirkte sie noch beherrschter als sonst, kalt fast, und das gefiel ihm nicht.
Schweigend geleitete er sie zur Kutsche, sorgfältig darauf bedacht, sie nicht zu berühren. Er hatte gehofft, sich auf der Heimfahrt wieder mit ihr auszusöhnen, doch sie machte ihm einen Strich durch die Rechnung.
„Talbot“, meinte sie, als der Kutscher neben Bennett auf den Bock klettern wollte. „Sie sollten mit uns im Wagen fahren. Das ist gewiss besser für Ihren Arm.“
Er schaute sie verwundert an und ließ den Blick von ihr zu Lord Amerleigh wandern und wieder zurück. Ihre Anweisung jedoch wagte er nicht infrage zu stellen.
„Sehr wohl, Miss Cartwright“, sagte er und half ihr beim Einsteigen.
Dieses Spiel können auch zwei spielen, dachte Roland. „Mir ist danach, selbst zu kutschieren“, sagte er, kletterte neben Bennett auf den Bock und nahm die Zügel aus den Händen des verblüfften Mannes.
So erreichten sie Mandeville. Lady Ratcliffe stürzte aus dem Haus, kaum dass sie vorgefahren waren. Verwundert nahm sie zur Kenntnis, dass Seine Lordschaft auf dem Kutschbock saß und Talbot ihrer Nichte aus dem Wagen half, als wäre er der Gentleman.
„Charlotte, schau dich nur an! Was ist geschehen?“, rief sie erschrocken.
„Das erzähle ich dir später, Tante“, erwiderte Charlotte. „Seine Lordschaft ist in Eile, wir werden ihn deshalb nicht aufhalten.“
Lady Ratcliffe schaute zu Roland hinüber, der sich an den Hut tippte. „Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, Mylady. Auf Wiedersehen, Miss Cartwright.“ Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, fuhr er davon.
Charlotte sah der Kutsche nach, bis sie außer Sichtweite war, dann schluckte sie hart ob der Erinnerung, was hätte sein können, und ging ins Haus. Ihre Tante wuselte aufgeregt hinter ihr her. „Was ist denn geschehen? Hattest du einen Unfall? Hat man dich etwa ausgeraubt? Oh, mein armes Kind. Ich bring dich in dein Zimmer, dann kannst du mir alles erzählen. Meg! Meg!“
Die Zofe erschien, überrascht ob der gebieterischen Weise, in der man sie gerufen hatte. „Bring heißes Wasser! Und beeil dich damit.“
„Mach nicht einen solchen Wirbel, Tante. Wenn ich erst gebadet, die Kleider gewechselt und ein wenig geruht habe, wird es mir gleich besser gehen.“
„Wo ist deine Kutsche? Oh, ich wusste ja, dass dir etwas Schlimmes widerfahren würde, wenn du dermaßen überstürzt und allein aufbrichst.“
„Deshalb hast du Lord Amerleigh unverzüglich hinter mir hergeschickt.“ In ihrem Zimmer angekommen, schlüpfte Charlotte aus ihren Kleidern.
„Jemand musste dich doch vor Torheiten bewahren.“
„Ah, aber wer würde mich vor Seiner Lordschaft bewahren?“
„Vor dem Earl? Was soll denn das heißen?“ Plötzlich fielen Lady Ratcliffe die blauen Flecke auf Charlottes Armen und Beinen auf. „Dafür ist doch gewiss nicht er verantwortlich?“
„Nein, natürlich nicht.“ Zwar hätte es ihr gewiss Befriedigung verschafft, ihm die Schuld für einige ihrer Prellungen zuzuschieben, aber sie konnte nicht lügen. „Meine Kutsche ist umgekippt. Seine Lordschaft hat mich gerettet.“
„Oh, dem Himmel sei Dank. Ich dachte einen Augenblick lang …“
„Nein, Tante“, sagte sie, entschlossen niemals jemanden erfahren zu lassen, was in der Kutsche vorgefallen war. „Deine Fantasie geht mit dir durch. Seine Lordschaft ist schließlich ein Gentleman.“
Der alten Dame schien die Ironie in ihrer Stimme nicht aufzufallen. „Ja, natürlich.“
Meg kam mit dem heißen Wasser, und da sie vor der Zofe nicht weiterreden konnten, verließ Lady Ratcliffe das Zimmer, um Mrs. Cater mitzuteilen, dass Charlotte zurück war und einen Imbiss benötigte.
Später beim Essen erzählte Charlotte ihrer Tante eine sorgfältig gekürzte Fassung der Ereignisse, die Lady Ratcliffe nur in ihrer Meinung bestätigten, dass Lord Amerleigh ein ausgesprochener Gentleman war und ihrer Großnichte ein ausgezeichneter Gatte sein würde.
Die letzte Reiseetappe hatten sie in flottem Tempo zurückgelegt, weshalb Roland den müden Pferden nicht noch weitere Strapazen zumuten wollte. Er fuhr nach Hause und ließ sein Reitpferd satteln, dann machte er sich auf den Weg nach Shrewsbury. Er hatte angeboten, sich um die
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