MYLADY HOCHZEITSBAND Band 01
Kutsche ist umgekippt, sie braucht Hilfe, keine Beschimpfungen.“
Charlotte wandte sich um. „Hilfe, keine Beschimpfungen, Mylord. Wie passend.“ Sie lachte rau auf.
„Mylord?“, fragte der Gastwirt und schaute Roland an.
„Ja“, erwiderte er. „Ich bin der Earl of Amerleigh, und diese Dame steht unter meinem Schutz. Sie benötigt ein Zimmer, in dem sie sich frisch machen kann.“ Er holte seine Börse aus der Tasche und schwenkte sie. „Sorgen Sie dafür, dass man frische Pferde anspannt, damit wir schnellstmöglich weiterfahren können. Und kümmern Sie sich darum, dass die verunfallte Kutsche geborgen wird. Ach ja, und bringen Sie die Pferde der Dame in Ihrem Stall unter, bis sie abgeholt werden.“
„Sofort, Mylord.“ Der Wirt hastete davon.
Charlotte ließ sich auf eine Sitzbank an der Wand sinken. Aus ihrem Gesicht war jegliche Farbe gewichen, und zum ersten Mal verstand er, dass ihr Leben ein ständiger Kampf war, dass sie sich täglich in neuen Schlachten beweisen musste, die sie nicht verlieren durfte, und das nur, weil sie eine Frau war. Er wünschte inständig, er könne diese Kämpfe für sie ausfechten, sie beschützen, aber dieses Vorrecht hatte er sich verscherzt. Er ging zu ihr hinüber und setzte sich neben sie. Sie wandte sich schweigend ab, und auch er sprach kein Wort.
Einige Minuten später erschien die Gattin des Wirts. „Ich habe das Zimmer für Sie gerichtet, Mylady.“
Charlotte machte sich nicht die Mühe, die Anrede zu korrigieren. Wortlos stand sie auf, folgte der Frau in das eilig gerichtete Zimmer und bat darum, dass man ihren Rock notdürftig flickte. Rasch zog sie ihn aus und gab ihn der Wirtin, die sie daraufhin allein ließ.
Frierend saß Charlotte auf dem Stuhl. Sie wusste nicht, ob sie vor Kälte zitterte oder wegen des Unfalls oder ob der Nachwirkungen ihres Streits mit Lord Amerleigh. Sie hatte ihn nie wissen lassen wollen, dass sie seine Zurückweisung damals vernommen hatte, und ganz gewiss wollte sie ihn nicht spüren lassen, wie sehr seine Bemerkung sie verletzt hatte, doch die Worte waren ihr wie von selbst über die Lippen gekommen. Oh, gewiss konnte sie vorgeben, dass die Freiheiten, die er sich herausgenommen hatte, sie gekränkt hätten, indes wusste sie, dass sie sich damit selbst etwas vormachte, denn sie konnte nicht verleugnen, dass sie ihn hatte küssen wollen, dass sie seinen Kuss und die seltsam prickelnden Gefühle, die er in ihr weckte, genossen hatte. Doch nun war sie verwirrter und unglücklicher als je zuvor.
Roland Temple hatte eine Sehnsucht in ihr geweckt, die sie nicht verstand, eine Sehnsucht, in seinen Armen gehalten, beschützt und geliebt zu werden. Hatte sie sich in ihn verliebt? Falls ja, war es das Dümmste, was ihr passieren konnte, da sie nicht vorhatte, jemals zu heiraten, schon gar nicht Roland Temple, der ihre Gefühle derart in Aufruhr versetzte und sie als Wildfang betrachtete, der seiner nicht würdig war. Warum aber hatte er sie dann geküsst? Um seine Macht zu beweisen? Ihr zu zeigen, dass er ihr überlegen war? Um sich auf ihre Kosten zu amüsieren?
Sie wischte sich mit der Hand über das Gesicht und entdeckte, dass ihre Wangen nass von Tränen waren. Seit ihrer Kinderzeit hatte niemand mehr sie zum Weinen gebracht, und selbst damals hatte sie nur aus Wut geweint, nicht weil sie unglücklich war.
Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. „Wer ist da?“
„Ich bin es.“ Die Stimme war unverwechselbar. „Wir sollten spätestens in einer halben Stunde weiterfahren.“
Zu gerne hätte sie ihm gesagt, dass sie keinen Zoll mehr mit ihm in derselben Kutsche zurücklegen würde, aber sie wusste, dass ihr gar nichts anderes übrig blieb. Sie straffte den Rücken. „Ich komme gleich.“
Roland war lediglich nach oben gegangen, um sich davon zu überzeugen, dass sie ihm inzwischen nicht davongelaufen war. Als er ihre Stimme hörte, schalt er sich selbst einen Dummkopf. Niemals würde sie vor Schwierigkeiten davonlaufen. Sie würde sich ihren Widersachern immer hoch erhobenen Hauptes stellen, und zu seinem Kummer war er einer davon. Er kehrte in die Gaststube zurück, und sie folgte ihm zwanzig Minuten später.
Ihren Rock hatte man notdürftig geflickt, und ihr Haar war mit einem Band zurückgebunden. Allem Anschein nach war sie die Frau, die er kannte, bevor er sie geküsst hatte. Dennoch spürte er eine unmerkliche Veränderung in ihrem Wesen. Er konnte nicht recht deuten, was es war. Irgendwie schien
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