MYLADY HOCHZEITSBAND Band 01
als hätte sie keinen eigenen Willen mehr. Er blickte ihr forschend ins Gesicht und sah nicht den Wildfang, sondern das einsame Mädchen, das man noch nicht aus seinem Dornröschenschlaf erweckt hatte, ein Mädchen mit leicht geöffneten Lippen und strahlenden grünen Augen, das ihn in Versuchung führte. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen und senkte seinen Mund auf den ihren.
Gekonnt küsste er sie und zog sie näher, bis sich ihr Busen an seine Brust schmiegte, ihre Beine die seinen berührten.
Charlotte wand sich in seinen Armen, nicht weil sie sich ihm entziehen wollte, sondern weil seine Liebkosung warme Schauer der Wonne durch ihren ganzen Körper sandte und Leidenschaft in ihr aufwallen ließ. Sie begehrte ihn. Sie begehrte ihn mit einer Macht, die sie schockierte. Jetzt wanderten seine Lippen über ihre Wange zu ihrem Ohr, den Hals hinunter. Seine sanften, beharrlichen Küsse ließen sie in ungeahnten Höhen schweben, von denen sie nicht einmal zu träumen gewagt hatte. Als hätte sie keinen eigenen Willen mehr, gab sie sich ihm ganz hin, erwiderte seine Leidenschaft mit der gleichen Inbrunst.
Schließlich löste er sich von ihr, hielt sie auf Armeslänge entfernt und schaute sie an. „Himmel“, meinte er mit schiefem Lächeln. „Du bist ja doch ganz Frau.“
Hätte er etwas anderes gesagt, ihr Zärtlichkeiten ins Ohr geraunt oder Reue für sein Verhalten gezeigt, wäre Charlotte die glücklichste Frau auf Erden gewesen. So aber weckte seine Bemerkung die grausame Erinnerung an jene Worte, die er vor sechs Jahren geäußert hatte, Worte, die sie nicht vergessen konnte. Als sie ihm antwortete, war sie daher wieder das junge Mädchen von damals, nicht die Frau, zu der sie inzwischen herangereift war. „Wie können Sie es wagen! Wie können Sie es wagen, sich mir derart unverfroren aufzudrängen und mich dann auch noch zu verspotten.“ Sie war atemlos von seinen Küssen, und ihr Gesicht war flammend rot ob der Demütigung, die sie empfand, weil sie sich von ihm so leicht hatte hinreißen lassen.
„Ich habe mich Ihnen nicht aufgedrängt. Sie waren sehr willig. Und verspotten …“
„Ja, verspotten. Sie sind ein ausgesprochener Meister darin. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich Ihnen vor sechs Jahren entkommen bin, was nicht heißen soll, dass ich es je in Betracht gezogen hätte, Sie zu ehelichen.“
Sein scherzender Ton verschwand so plötzlich, wie er gekommen war. „Vor sechs Jahren?“
„Erzählen Sie mir nicht, Sie hätten es vergessen. ‚Sie ist eine wilde Range, die besser als Junge zur Welt gekommen wäre.
Sie ist so reizlos wie eine graue Maus.‘ Das waren Ihre Worte,
Lord Amerleigh.“
„Liebe Güte! Das hätten Sie gar nicht hören dürfen.“
„Dann hätten Sie nicht so laut sprechen sollen, Mylord.“
„Wenn es Ihnen ein Trost ist, ich habe meine Worte bereut, kaum, dass sie mir über die Lippen gekommen waren.“
„Ich brauche keinen Trost, Mylord, mein Herz ist nicht gebrochen.“ Ihre Stimme war eisig. „Wie ich sehe, sind wir am Gasthof angekommen. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag.“ Sie wartete nicht, bis Bennett oder Talbot den Schlag öffneten, sondern stieß ihn selbst auf und sprang aus der Kutsche, noch bevor die Räder ganz stehen geblieben waren.
Roland sah ihr nach, wie sie in den Gasthof stolzierte, das Haar zerzaust, den Rock schmutzig und zerrissen, und verfluchte sich selbst, nannte sich den größten Narren auf Erden. Dass sie seine Worte damals gehört hatte, ließ ihn erschaudern. Doch sie hatte sie ja nicht nur gehört, vielmehr hatte sie seine Äußerung damals offenbar so sehr verletzt, dass sie selbst nach all den Jahren noch den genauen Wortlaut wusste. Schuldgefühle nagten an ihm, drohten ihn aufzufressen, denn nun, da er sie kannte, wusste er ja, wie ungerecht er damals ihr gegenüber geurteilt hatte. Sie war keineswegs reizlos, sondern wunderschön, und sie war auch kein Wildfang, vielmehr bewunderte er ihr entschlossenes Wesen, ihren Mut, allen Konventionen zum Trotz in die Schuhe ihres Vaters zu treten und die Verantwortung für Hunderte von Menschen auf ihren Schultern zu tragen. Sie trug sogar noch mehr Last und Verantwortung als er.
Erhobene Stimmen, die vom Gasthof herüberschallten, rissen ihn aus seiner Starre. Als er hineineilte, sah er sie wütend mit dem Gastwirt streiten, der sich weigerte, sie zu bedienen und sie eine schmutzige Zigeunerin nannte.
„Die Dame gehört zu mir“, sagte er bestimmt. „Ihre
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