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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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Weise veränderte er sein Gesicht. An einen Eschenstab konnte sie sich sehr wohl erinnern, meinte allerdings, daß er kleiner gewesen wäre. Und auch das Lederpaket kannte sie von den Shetlands, in dem sie eine Bibel vermutet hatten.
    „William, was hast du vor?“ fragte sie und die Tiere lagen ruhig, doch wachsam neben ihnen.
    Myrddin saß wieder bei ihnen und Hörn wußte, daß sich sein Freund letztendlich von der Welt verabschieden wollte. Er beobachtete, wie sich Myrddin von seinem Lebenswerk auf Eden trennte.
    „Patty … nun höre mir ganz genau zu, bitte. Ich habe nichts, was ich dir geben könnte, und es ist nichts, was bleiben wird. Überhaupt gar nichts hat einen festen Platz auf dieser Erde. Alles ist bewegt und wird sich bewegen und ihr habt Namen dafür, die sich auch verändern werden …“, sagte er, und plötzlich fiel der Scheinwerfer aus. Die Birne war durchgebrannt und der feuchte Abend kroch kühl in das Zelt.
    Brian erschrak, doch dann ließ Myrddin irgendwie ein Licht erleuchten, das von nirgends kam und nur die Dunkelheit um sie herum zu bergen schien. Eigentlich hätte sie das neue Licht nicht mehr erschrecken müssen, jedoch geschah das nicht. Obwohl es kein Licht im eigentlichen Sinn war, konnten die Augen es sehen. Es war, als säßen sie in irgendeiner Höhle, an deren Wände puffige Nadelbüsche von Okenit erstrahlten. Brian konnte nur schweigen, als sie in den Bann dieser Lichthöhle gezogen wurde, und Myrddin fuhr wie selbstverständlich fort, als sei nichts Wesentliches geschehen, nachdem er sich seinen Eschenstab über die Beine gelegt hatte und das Lederpaket in beiden Händen hielt.
    „Und so ist es auch mit den Menschen. Sie verwirren sich gegenseitig. Sie nehmen die Zeit der anderen und rauben sich gegenseitig den Verstand. Sie machen sich krank und hindern sich daran, als Menschen voranzukommen. Sie nehmen sich aus der Wirklichkeit heraus und lassen sich durch nichts mehr bewegen, Patty.“
    „Was willst du damit sagen?“ fragte sie ihn.
    „Ich will damit sagen, daß ich zumindest enttäuscht bin. Ich will damit sagen, daß keines unserer Worte irgendeinen Wert besitzt, da sich die Wirklichkeit selbst zu benennen versteht. Weder die Bäume noch die Gestirne tragen irgendeinen Namen. All die herrlichen Steine können sich nicht bei Namen nennen, und selbst die Tiere nennen andere Tiere nicht Hirsch oder Wolf oder Seerobbe. Es gibt die Namen und Begriffe in Wirklichkeit nicht. Es gibt in Wirklichkeit weder eure Zeit noch eure Sonne. Die Wärme andererseits … sie ist. Aber die Zeit, Patty … sie ist nicht. Vergehen gibt es … und nennst du es Zeit, so ist es dennoch keine. Ich habe etwas wie mein Leben aufgeschrieben … und ich habe eine Unendlichkeit gelebt“, sagte der Zauberer und öffnete sein Paket, in dem sie seine kostbare Bibel vermutet hatte.
    Myrddin holte tatsächlich ein schweres Buch aus dem Leder und legte es vor sich hin. Er beschaute es, strich mit der Hand über den Ledereinband, sah zu Brian, und eine feierliche Schwere senkte sich über sie, die sie nicht begreifen konnte.
    „Alles, was ich über die Welt weiß, steht in diesem Buch, Patty. Und es ist ein besonderes Buch. Schau her …“ sagte er, blickte in ihr Gesicht und öffnete dann das Buch.
    Strahlend weiße Seiten, heller leuchtend als die Haut seiner Puppen, konnte sie sehen, und es verschlug ihr den Atem. Sie öffnete ihren Mund und ein seltsamer Laut strömte aus ihrer Brust hervor.
    „Wenn du dieses Buch aufschlägst, Patty, so kannst du es bis zur letzten Seite lesen. Dann wirst du erkennen, daß es nicht vollständig ist. Sodann hast du es zu schließen … so wie ich es jetzt tue … du hast es zu drehen … Schau her …“, und Myrddin demonstrierte es ihr. Er schlug den Buchdeckel zu und drehte das Buch, das auf den Sägespänen lag, um eine vertikale Achse. Und dort, wo es zuerst gebunden schien – am scheinbaren Buchrücken – ließ es sich wieder öffnen, und die strahlend gelben Seiten, deren scheinenden Glanz sie nur mit blinzelnden Augen ertragen konnte, waren wieder zu sehen. „Du hast gesehen, wie ich es gemacht habe … Und nun kannst du weiterlesen. Und solltest du abermals auf der letzten Seite angekommen sein, so schließe das Buch und drehe es nun um 90°, so wie ich jetzt … und du kannst es wieder öffnen und weiterlesen. Es ist ein geheimnisvolles Buch und läßt sich nur Seite um Seite lesen … Und es hat noch ein zweites Wesen, Patty, falls du bereits die

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