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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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würde der Heilungsprozess einsetzen. Er würde sie alle ergreifen, wenn sie auf dem Bürgersteig ständen und die Gründung ihres Stadtteils feierten, davon war er überzeugt. Und wenn ihnen Katies Tod in den Abendstunden wieder zusetzte, wenn ihre Körper unter Katies Gewicht ein bisschen zusammensackten, hätten sie wenigstens die Freuden des Nachmittags als kleinen Ausgleich für ihren Schmerz genossen. Das wäre der Beginn des Heilungsprozesses. Ihnen allen würde aufgehen, dass sie an diesem Nachmittag wenigstens einige Stunden lang Vergnügen, wenn nicht gar Freude, empfunden hatten.
    Er trat vom Fenster zurück und machte sein Gesicht mit warmem Wasser nass, dann bedeckte er Wangen und Hals mit Rasierschaum. Als er sich zu rasieren begann, wurde ihm klar, dass er böse war. Nichts Besonderes eigentlich, es ertönte kein lauter Paukenschlag in seinem Herzen. Mehr war das nicht – ein kurzer Gedanke, eine flüchtige Erkenntnis, die ihn wie sanft tastende Finger in der Brust kitzelte.
    Dann bin ich halt böse.
    Er schaute in den Spiegel und empfand so gut wie nichts. Er liebte seine Töchter und er liebte seine Frau. Und sie liebten ihn. Sie gaben ihm Sicherheit, absolute Sicherheit. Das besaßen nur wenige Männer – wenige Menschen.
    Er hatte jemanden wegen eines Verbrechens getötet, das derjenige wohl nicht begangen hatte. Und als ob das nicht schon schlimm genug war, tat es ihm fast gar nicht Leid. Und vor langer Zeit hatte er einen anderen Mann getötet. Und er hatte beide Leichen beschwert, damit sie in die Tiefen des Mystic River hinabsanken. Und beide Männer hatte er eigentlich gemocht – Ray ein bisschen mehr als Dave, aber gemocht hatte er beide. Trotzdem hatte er sie getötet. Aus Prinzip. Hatte auf dem Vorsprung über dem Fluss gestanden und zugesehen, wie Rays Gesicht weiß und starr wurde und unter die Wasseroberfläche sank, die Augen offen und leblos. Und in all den Jahren hatte er keine großen Schuldgefühle deswegen empfunden, obwohl er sich das eingeredet hatte. Aber was er Schuld nannte, war in Wirklichkeit Angst vor einem schlechten Karma, die Angst, dass, was er getan hatte, auf ihn oder einen Menschen, den er liebte, zurückfiel. Und Katies Tod, nahm er an, war möglicherweise die Erfüllung dieses schlechten Karmas gewesen. Die endgültige Erfüllung, wenn man es recht betrachtete: Ray kam durch den Bauch seiner Frau zurück und tötete Katie ohne besonderen Grund, nur des Karmas wegen.
    Und Dave? Sie hatten eine Kette durch die Löcher in den Schlackesteinen gezogen, sie eng um Daves Körper gewickelt und die beiden Enden verschlungen. Dann hatten sie seine Leiche mühsam die dreiundzwanzig Zentimeter angehoben, die notwendig waren, um sie aus dem Boot zu hieven und über Bord zu werfen. Vor sich sah Jimmy das Kind Dave, nicht den Erwachsenen, auf den Grund des Flusses sinken. Wer wusste schon genau, wo er gelandet war? Aber er war da unten, auf dem Grund des Mystic, und schaute hoch. Bleib da, Dave. Bleib da.
    Die Wahrheit war, dass Jimmy nie große Schuldgefühle wegen irgendwas gehabt hatte. Sicher, er hatte vor dreizehn Jahren mit einem Bekannten in New York verabredet, dass er jeden Monat fünfhundert an die Harris schicken sollte, aber eher aus Vorsicht als aus Schuldgefühl – solange sie glaubten, Ray sei am Leben, schickten sie keinen auf die Suche nach ihm. Genau genommen, wo Rays Sohn jetzt im Knast war, scheiß drauf, konnte er das Geld auch behalten. Es für was Gutes ausgeben.
    Für sein Viertel, entschied er. Er würde es zum Schutz seines Viertels einsetzen. Und als er in den Spiegel schaute, beschloss er, dass es genau das war: sein Viertel. Von jetzt an gehörte es ihm. Dreizehn Jahre lang hatte er mit einer Lüge gelebt und so getan, als wäre er ein ehrbarer Bürger, während um ihn herum eine Chance nach der anderen verpasst wurde. Sie wollten hier ein Stadion bauen? Schön. Reden wir mal über die Arbeiter, die wir vertreten. Nein? Na gut. Dann passt mal ein bisschen besser auf euren Maschinenpark auf, Leute. Den sieht man ja nicht gerne in Flammen aufgehen.
    Er würde sich mit Val und Kevin zusammensetzen und ihre gemeinsame Zukunft bereden. Diese Stadt wartete darauf, dass man ihr die Beine auseinander drückte. Und Bobby O’Donnell? Seine Zukunft, beschloss Jimmy, wäre nicht mehr besonders rosig, wenn er sich weiterhin in East Bucky herumtreiben wollte.
    Er hörte auf, sich zu rasieren, und betrachtete erneut sein Spiegelbild. War er böse? Na, wenn

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