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Mystic River

Titel: Mystic River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Pulle drehte, ließ sie meistens sogar stecken.
    Aber als Sean Jimmys Blick folgte und im Geiste die Wagen aufzählte, in denen sich seines Wissens Autoschlüssel befanden, fühlte er einen dumpfen Schmerz hinter den Augen, und im grellen, von Motorhauben und Kofferräumen reflektierten Sonnenlicht spürte er das Gewicht der Straße, der Häuser, das Gewicht vom Point und der in ihn gesetzten Erwartungen. Er war kein Junge, der Autos klaute. Er war ein Junge, der eines Tages zum College gehen und was aus sich machen würde, der etwas Besseres, Größeres würde als Vorarbeiter oder Packer. So war es geplant und Sean glaubte, dass sich Pläne verwirklichen ließen, wenn man sich nur genügend Mühe gab und vorsichtig vorging. Es war dasselbe, wie einen Film zu Ende zu gucken, auch wenn er noch so langweilig oder wirr sein mochte. Denn am Ende klärten sich meist viele Dinge auf oder der Schluss war so stark, dass man fand, es habe sich gelohnt, den langweiligen Kram davor anzuschauen.
    Fast hätte er Jimmy das erzählt, aber Jimmy ging bereits die Straße entlang, spähte in die Autos. Dave lief neben ihm her.
    »Wie wär’s mit dem hier?« Jimmy legte die Hand auf den Bel Air von Mr. Carlton, seine Stimme hallte laut durch die trockene Luft.
    »Hey, Jimmy!« Sean ging zu ihm. »Vielleicht ein andermal. Ja?«
    Jimmy machte ein langes Gesicht. »Wie meinst du das? Wir machen das jetzt! Das wird witzig! Superstark. Schon vergessen?«
    »Superstark«, wiederholte Dave.
    »Wir können doch noch nicht mal übers Lenkrad gucken!«
    »Telefonbücher.« Jimmy grinste in die Sonne. »Wir nehmen eure.«
    »Telefonbücher«, sagte Dave. »Ja!«
    Sean streckte abwehrend die Arme aus. »Nee, besser nicht!«
    Jimmys Lächeln erstarb. Er betrachtete Seans Arme, als wolle er sie an den Ellenbogen abschneiden. »Warum machst du nicht mal was aus Spaß, hä?« Er zerrte am Türgriff des Bel Air, aber der Wagen war abgeschlossen. Jimmys Wangen zuckten kurz und seine Unterlippe zitterte, dann guckte er Sean mit einer so unbändigen Einsamkeit an, dass Sean Mitleid bekam.
    Dave schaute zuerst Jimmy, dann Sean an. Ungelenk holte er aus und schlug Sean gegen die Schulter. »Ja, wieso willst du keine lustigen Sachen machen?«
    Sean konnte nicht glauben, dass Dave ihm gerade eine gehauen hatte. Dave!
    Er boxte Dave gegen die Brust und Dave fiel auf den Hintern.
    Jimmy schubste Sean. »Was soll der Scheiß?«
    »Der hat mich gehaun!«, sagte Sean.
    »Hat er gar nicht«, entgegnete Jimmy.
    Seans Augen weiteten sich ungläubig und Jimmy äffte ihn nach.
    »Klar hat er mich gehaun.«
    »Der hat mich gehaun«, sagte Jimmy mit einer Mädchenstimme und schubste Sean zum zweiten Mal. »Das ist mein Freund, verdammt noch mal!«
    »Ich doch auch«, wandte Sean ein.
    »Ich doch auch«, wiederholte Jimmy. »Ich doch auch, ich doch auch, ich doch auch.«
    Dave Boyle stand auf und lachte.
    »Hör auf damit!«, rief Sean.
    »Hör auf damit, hör auf damit, hör auf damit!« Wieder schubste Jimmy Sean, seine Handflächen drückten gegen Seans Rippen. »Komm doch! Traust du dich nicht?«
    »Traust du dich nicht?« Jetzt schubste Dave Sean.
    Sean hatte keine Ahnung, wie es so weit hatte kommen können. Er konnte sich nicht mal mehr erinnern, warum Jimmy sauer geworden und Dave so blöd gewesen war, ihn überhaupt zu schlagen. Eben gerade hatten sie noch neben dem Auto gestanden, jetzt waren sie mitten auf der Straße und Jimmy schubste ihn mit verkniffenem, jämmerlichem Gesicht, die Augen schwarz und klein, und Dave schickte sich an, es ihm nachzumachen.
    »Los, komm! Hau mich doch!«
    »Ich will nicht …«
    Ein erneuter Schubser. »Los, komm, du Baby!«
    »Jimmy, können wir nicht einfach …«
    »Nee, können wir nicht. Bist du ‘ne Heulsuse, Sean? Hä?«
    Jimmy wollte ihn wieder stoßen, hielt aber inne und eine unbändige Einsamkeit (und eine müde Einsamkeit, das erkannte Sean nun plötzlich) spiegelte sich in seinen Gesichtszügen wider, als er an Sean vorbeiblickte und etwas anstarrte, das die Straße entlangkam.
    Es war ein dunkelbraunes Auto, so kantig und lang wie die Wagen, die die Männer von der Kripo immer fuhren, ein Plymouth oder so, es hielt mit der Stoßstange genau vor ihren Füßen und die beiden Bullen glotzten die Jungen durch die Windschutzscheibe an, ihre Köpfe verschwammen in den Spiegelbildern der Bäume auf dem Glas.
    Sean spürte einen unvermittelten Ruck, eine Veränderung in der Sanftheit des Morgens.
    Der Fahrer stieg aus.

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