Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)
verscharren.
Bernards Beine zitterten. Sein Magen begehrte auf. Er sorgte sich ehrlich um Meggy. Wenn sie Strock wirklich umgebracht hatte, gab es einen triftigen Grund dafür, und er hoffte, die Polizei würde keinen Wind davon kriegen. Zwar kümmerte man sich nicht über Gebühr um Todesfälle im Händlerviertel, aber manchmal kam es vor, dass ein Verräter einen von ihnen für ein paar Pennys an den Galgen lieferte. Eine schöne Möglichkeit für die Bullen und das Gericht, Exempel zu statuieren.
Warum aber war Meggy ihm in den Rücken gefallen und hatte die Entführte befreit? Das ergab keinen Sinn. Vergeblich suchte Bernard nach einem Sinn. Sie hatte sich wütend von ihm getrennt, aber das war kein Grund, um ihn zu verraten.
Irgendwo da draußen war Meggy. Sie zu finden war das Wichtigste!
Später würde er sich um Blackhole kümmern. Dieser Hund lief ihm nicht davon.
Himmel, es musste doch noch etwas außerhalb dieses Molochs geben. Sonne vielleicht, genug zu essen und ein warmes Bett. Gras und Wiesen, die nach Blüten dufteten, nicht nach fauligem Fisch. Ein Leben ohne Hass und Rache, dafür mit einer lieben Frau und zwei oder drei Kindern. Eine hübsche Wohnung und eine Arbeit, der man sechs Tage in der Woche von sechs Uhr morgens bis neun Uhr abends nachging. Sonntags der Kirchenbesuch und ein Picknick im Grünen.
Es liegt bei dir! , würde Dandy sagen. Wenn es einer von uns schaffen kann, dann bist du es ... gemeinsam mit Meggy!
Deprimiert starrte Bernard zur Treppe, auf der sich erneut etwas tat.
Meggy trat ein. »Du solltest dich rasieren, Bernard«, sagte sie. »Ich habe Besuch mitgebracht.«
Ihr folgte eine wunderschöne Frau. Blackholes Hausmädchen und Geliebte.
14
Neugierig und heimlich musterte Nell Bernards Gesicht. Es war das Gesicht eines jungen Mannes, nicht älter als dreiundzwanzig. Trotzdem wirkte es wesentlich älter, denn tiefe Spuren hatten sich um Mund und Augen in die Haut gebrannt. Graue Augen, die nach innen blickten, verdüsterten dieses Gesicht, Augen, die eine Unmenge Leid gesehen hatten, Augen, in denen der Zorn tanzte.
Es hatte mehr als eine halbe Stunde gedauert, bis Bernard Scofield seine Verwirrung herunterschluckte , und nun saßen sie gemeinsam um den wackeligen Tisch und starrten auf die Tischplatte.
Noch immer berichtete Meggy in ihrer unnachahmlichen Art, was geschehen war , und Bernard zeigte mit keiner Regung, was er empfand.
Endlich endete Meggy und seufzte lange.
Von der Straße drangen Stimmen zu ihnen , Pferdewagen krachten vorbei , und irgendwo schrie gellend eine Frau.
»Ich glaube es nicht «, brach Bernard das Schweigen. Er blickte auf , und seine Augen versanken in denen von Nell. »Wir sitzen hier, als sei nichts geschehen, meine Freundin erzählt ungerührt von dem Verrat, den sie an mir begangen hat, und ich habe das Gefühl, als schwimme der Bode n unter meinen Füßen weg !«
Zaghaft legte Meggy ihre Hand auf die von Bernard. Er ließ es geschehen.
»Ihr seid zwei verrückte Weiber«, knurrte Bernard. Er sprang auf und gestikulierte mit dem gesunden Arm. »Unsere Miss Nell ist e benso ein Opfer, wie ich es bin. Es ist... unglaublich!« Als müsse er sich den Sachverhalt wieder und wieder bestätigen, mu rmelte er kopfschüttelnd: »U nglaublich, unglaublich!«
»Und du dachtest wirklich, ich hätte Strock ermordet?«, fragte Meggy.
»Verdammt, Meggy ...«, begehrte Bernard auf. »Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich noch denken soll!«
»Schrei mich nicht an, Bernard!« Meggy sprang auf. »Es ist immer dasselbe mit dir! Und du hast es gedacht, geb’s zu!«
Bernard stöhnte dumpf und schlug seine Augen nieder. »Wie soll ich denn davon ausgehen, dass Strock mit einer Lüge auf den Lippen stirbt, wie soll ich das? Im Angesicht Gottes. Das ist Sün de, das ist ... Blasphemie. I m Angesicht des Herren stirbt man nicht mit einer Lüge.« Ihm fehlten die Worte , und Nell empfand Mitleid für diesen großen Mann, der sich Meggys vernichtendem Urteil widerstandslos beugte.
»Vielleicht hatte Strock verlernt , zu glauben«, sagte Nell sanft.
»Ja, vielleicht«, gab Bernard leise zurück.
»Nichts ist , wie es schien«, sagte Nell. Sie war die einzige, die noch saß. »Es wird eine Zeitlang dauern, bis ich mich mit dem Gedanken abgefunden habe, einen Menschen getötet zu haben.«
»D er Sie missbrauchen wollte«, fügte Bernard hinzu. Auf seiner Stirn pulsten Adern. »Er hat es nicht anders verdient. Auch wenn er mein Freund war. E
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