Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)
Fenster. Wie sie vermutet hatte, war es unversehrt. Auch war die Kabine leer. Und was war mit dem Badezimmer? Sie trat ein, und wie zufällig schob sie die Badezimmertür auf. Sie schaltete das Licht an. Linda atmete erleichtert auf. Alles war in Ordnung. Ihre Nerven hatten ihr offensichtlich einen Streich gespielt. Es wurde Zeit, dass sie sich Richtung Deck aufmachte. Grace und Brad würden schon auf sie warten. Es war zu schade, den sonnigen Tag unter Deck zu vertrödeln.
»Ich wünsche Ihnen noch eine angenehme Reise.« Wieder verneigte der Kapitän sich.
Setzte man voraus, dass Akbar darüber informiert war, wie Graces Landsleute ein ums andere Mal versuchten, den Moslems an den Kragen zu gehen, wofür man auch vor dreistesten Lügen nicht zurückgeschreckt war, erstaunte seine Freundlichkeit. Oder gehörte er zu der Minderheit koptischer Christen?
»Ist alles okay ?«, tönte Brads Stimme durch den Gang.
»Ah … Sie sind doch dieser Fotograf Mr Leland, der eine Bildreportage über die Reise macht?«, fragte der Kapitän.
Linda war froh, Brads Stimme zu hören, und als dieser im Türrahmen auftauchte, wurde ihr leichter ums Herz. Wie hatte sie all die Jahre, die sie mit Brad gearbeitet hatte, so blind sein können? Dieser Mann strahlte Wärme und Vertrauen aus. Schon seine Gegenwart bewirkte, dass Linda sich schlagartig besser fühlte. Das Maskenwesen und die damit verbundene Furcht drängten sich immer mehr in den Hintergrund. Was blieb, war ein etwas gruseliges Gefühl. Erträglich.
Brad musterte den Kapitän auf seine ihm eigene offene Art. »Sie scheinen ja sehr gut informiert zu sein.«
»Ein Kapitän sollte wissen, was auf seinem Schiff geschieht.« Erneut nannte er seinen Namen. »Falls Sie Hilfe benötigen oder eine Beschwerde haben, bin ich jederzeit für Sie da. Sie finden mich auf der Brücke.«
»Warten Sie bitte.« Brad vertrat dem Mann den Weg. Er machte seine Unhöflichkeit mit einem strahlenden Lächeln wett. »Mr Akbar, sind Ihnen alle Gäste namentlich bekannt?«
»Diejenigen, die für uns wichtig sein können - auf jeden Fall.« Akbar blinzelte schelmisch. »Sie müssen wissen, es ist eine besondere Ehre, wenn USA Today über mein Schiff berichtet. Eine wunderbare Form der ... Publicity!«
»Ich verstehe«, nickte Brad und kaute auf seiner Unterlippe. »Sagt Ihnen der Name …«, er überlegte und legte die Stirn in Falten. »Sephrete etwas?«
Akbar griff sich mit dem Zeigefinger hinter seinen Krawattenknoten. »Wie kommen Sie darauf, Mr Leland?«
Brad grinste jungenhaft. »Ich habe mich lediglich an diesen Namen erinnert.« Zu Linda gewandt. »Sagt dir der Name etwas?«
Linda verneinte.
»Wissen Sie ...« Akbar machte eine Kunstpause, starrte erst zu Linda und dann zu Brad. »Wenn es um altägyptische Geschichte geht, gibt es kaum eine Frage, die ich Ihnen nicht beantworten kann. Eine Sephrete allerdings, nein - die kenne ich nicht.« Er hatte sich Luft verschafft. Der Krawattenknoten hing schief. »Wenn es Ihnen recht ist ...« Er zog seinen Mund zu einem messerscharfen Lächeln breit. »werde ich meinen Rundgang nun fortsetzen.« Seine Stimme klang tönern. »Sie wissen, wo Sie mich finden.« Er tippte an eine imaginäre Mütze und schritt gemessen davon. Hinter der nächsten Biegung verschwand er.
»Darf ich?« Brad wies in Richtung Kabine.
Linda schloss die Kabinentür hinter ihnen. Sie plumpste auf das Bett. Brad setzte sich ihr gegenüber verkehrt herum auf den Stuhl. Seine Ellenbogen ruhten auf der Rückenlehne.
»Was ist so wichtig an dieser Sephrete?«, fragte Linda.
»Das weiß ich nicht, um ehrlich zu sein. Das ich ihn fragte, entsprang mehr oder weniger einer spontanen Idee. Unser Kapitän lügt, soviel ist gewiss. Er weiß viel mehr, als er uns sagen will, und das macht mir Sorgen.«
Linda blickte fragend. »Warum sollte er lügen? Und worüber sorgst du dich? Das ergibt keinen Sinn. Himmel - es gibt tausend unterschiedliche Götter, Pharaonen, Geliebte, Widersacher und so weiter. Die ganze Geschichte dieses Landes ist ein einziger Wirrwarr von Namen, Daten und Begebenheiten. Wer soll sich da jeden Namen merken?«
»Jemand, der von sich selber behauptet, ein Fachmann für altägyptische Geschichte zu sein.«
»Mag sein«, pflichtete ihm Linda bei. »Aber was ist denn so wichtig an dieser Sephrete?«
»Vermutlich gar nichts.« Brad grinste verlegen. »Es hat etwas mit Grace zu tun. Sie hatte im Tal der Könige einen seltsamen Traum. Vor einer halben Stunde
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