Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)
ich, Sephrete. Du bist meine Tochter und ich habe dich zu uns zurückgeholt. Das tat ich nicht, um dich zu bestrafen. Ich widersetzte mich den Ältesten und man folgte mir.«
»Was wurde aus Mamothma?«
»Er wurde in die Dunkelheit gebracht. Dorthin, wo er machtlos ist.«
»Dann will ich auch dorthin.«
»Er wollte dich opfern.«
»Er war verwirrt.«
Akobeth lachte hart. »Verwirrt? Er ist ein dunkler Magier, der vor nichts zurückschreckt, das ihn an die Macht bringt. Auch du warst nur ein Mittel zum Zweck.«
»Er liebt mich. Und ich liebe ihn.«
»Du bist ein dummes Kind. Wir haben das Schicksal geändert und stehen vor einer großen Zeit. Unser Volk ist mächtig und wir werden die Herrscher der Welt sein.«
»Herrscher?« Sie schnaufte. »Arm werden wir sein. Machtlos und zerrissen. Die Pharaonen werden aussterben wie rare Tiere und das Land wird verdorren.«
Akobeth musterte sie aus zusammengekniffenen Augen. »Was redest du?«
»Ich weiß es.«
»Träume, Sephrete. Das sind düstere Träume, die nichts besagen.«
»Ich weiß es, Vater.«
»Dann wäre es besser, du schweigst.«
Das Leben am Fluss schien zu erstarren. Der Wasser hörte auf zu wandern. Kraniche zogen ihre Köpfe unters Gefieder. Feluken standen still. Der Wind legte eine Pause ein.
Und Sephrete begriff.
Begriff, als sie den Bogenschützen sah, der unweit des Zeltes auf sie zielte.
Warmer Trost spülte durch Sephrete, denn sie hatte früh gelernt, dass der Mensch sich aus sechs Wesenheiten zusammensetzte. Zu den drei weltlichen, sterblichen Teilen gehörten die Körperhülle, der Name und der Schatten. Und es gab die drei geistigen, unsterblichen Aspekte. Ka, Ba und Ach. Das Ka versorgte den Menschen mit der Nahrung, die er im Jenseits brauchte. Es ähnelte ihm wie ein Bruder. Das Ba war mit dem Herzen des Menschen verbunden, verließ den Körper nach dem Tod und konnte nur zu ihm zurückkehren, wenn es ihn wieder erkannte. Mit seiner Hilfe konnte der Mensch wie ein Vogel am Tag die Welt der Lebenden besichtigen. Im Ach vereinten sich diese Teile durch die Körperhülle, und der Tote gehörte nun als ewige Seele zum Bereich der Götter. Das Grab war wie ein Wohnhaus für den Toten.
Hoffentlich erhielt sie genug Beigaben, um die Zeit zu überstehen, bis sie wiederkehrte. Ja, Vater würde dafür sorgen, dafür sprachen seine Tränen.
Bevor sie etwas sagen konnte, steckte der Pfeil in ihrem Hals. Es tat nicht weh. Es war so, als hätte sie sich mit der flachen Hand gegen das Kinn geschlagen. Warm und süß sprudelte es aus ihrem Mund, und als sie etwas sagen wollte, kamen keine Worte über ihre Lippen. Sie versuchte zu lächeln , und als sie die Trauer im Gesicht ihres Vater wahrnahm, freute sie sich, dass sie Mamothma wiedersehen würde.
Um mit ihm über den Nil zu fliegen , gereinigt und göttlich.
ENDE
DIE GASSEN VON LONDON
Roman von
Vanessa Farmer
Prolog
Die 22-Uhr-Vorstellung des Covent Garden Theater war ausverkauft.
Bernard Scofield lehnte sich über die Brüstung und starrte gebannt auf die Bühne. »Er ist es - darauf verwette ich mein Leben«, murmelte er dumpf.
Die Frau an seiner Seite lächelte und schüttelte den Kopf. »Du bist besessen, Bernhard!«
»Dieser Mann hat meinen Vater getötet!«
»Dafür hast’e keinen Beweis. Für die Karten sind uns’re letzten Kröten draufgegangen. Also genieß’ die Vorstellung.«
»Meggy, schau dir die Leute an«, flüsterte Bernard. »Normalerweise werden in jedem Theater in dieser verdammten Stadt während der Vorführungen Flaschen geleert, Zoten gerissen und Tomaten geworfen, aber wenn Der Große Makabros auftritt, ist es mucksmäuschenstill!«
»Er is’ der berühmteste Zauberer von der Welt!«, sagte Meggy.
Bernard lachte hart. »Er ist ein Mörder!«
Der Mann, der neben Bernard saß, rückte ein Stück weg, rümpfte demonstrativ seine Nase und tuschelte mit seiner Begleiterin, die ihren Fächer bediente, als wolle sie sich damit die Nasenspitze abschlagen.
Was sucht dieser Abschaum hier?, schien die Frau mit dieser Geste auszudrücken.
Der Große Makabros breitete seine Arme aus, wobei ihn ein Tusch der Kapelle begleitete. Seine silberne Maske starrte den achthundert Besuchern entgegen. Mehrere Blendlaternen, die von unsichtbaren Bühnenarbeitern gelenkt wurden, tauchten ihn in weißes Licht. Um ihn herum wallten Nebel über den Bühnenboden.
» Madames und Monsieurs ... Ladys und Gentleman ... in dieser Nacht werde ich Sie mit dem
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