Mythor - 027 - Kämpfer der Lichtwelt
Schlacht besiegelt war. Die Vorzeichen waren untrüglich.
Während Drudin die Kraft aus dem Opferstein in sich aufnahm, starrte er in den sternenklaren Himmel. Dort oben braute sich etwas zusammen, was die Menschen bald zu spüren bekommen würden. Schichten kalter Luft sanken auf die Welt und verdrängten die Wärme, die die Natur in Frühlingsstimmung versetzt hatte. Eine Eiseskälte würde die Lichtwelt heimsuchen und den Boden für die Kräfte der Finsternis vorbereiten. Die Omen standen günstig.
Das Hochmoor von Dhuannin trug die schwarzmagische Saat in sich. Morgen war Wintersonnenwende. Bei Sonnenaufgang würde sich das Schicksal der Lichtwelt erfüllen.
*
Loranas Geschichte
Sie war noch jung und stand erst im Frühling ihres Lebens. Sie lebte an der Seite ihres blinden Ziehvaters, der sie als Neugeborenes aus den Fluten des Flusses Lorana gefischt hatte. Und diesem Umstand verdankte sie ihren Namen. Als Vercin, wie der Name ihres Ziehvaters lautete, sein Augenlicht verlor, da ersetzte sie es ihm. Sie lebte mit ihm in seinem Landschiff, das er an den Ufern der Lorana gebaut hatte für den Fall, dass die Lichtwelt unter dem Einfluss der finsteren Mächte in den Fluten der Meere versinken würde. Vercin glaubte, dass die Lichtwelt bestehen konnte, solange sich die Räder seiner Mühlenarche drehten, die für ihn die Räder der Welt waren.
Lorana war sicher, dass Vercin in seiner Blindheit einen Sinn entwickelte, mit dem er mehr sehen und hören konnte als andere Menschen mit Ohren und Augen. Und so glaubte sie an seine Prophezeiung vom bevorstehenden Untergang der Welt, und sie sah diesen gekommen, als ein Stern vom Himmel auf die Mühlenarche fiel und die Räder des Landschiffs zum Stillstand brachte.
Lorana versank in einen Schlaf, aus dem sie nicht mehr erwachte. Ihr Lebenslicht, das nur so kurz gebrannt hatte, glomm noch, als Mythor sie auf den Rücken seines Einhorns legte und mit ihr in die Richtung von Graf Corians Heerlager ritt. Er verlangte Pandor das Letzte ab, um noch rechtzeitig einen Heilkundigen oder Magier in Graf Corians Diensten zu erreichen, der Lorana hätte retten können. Doch schon auf halbem Wege traf er die Nachhut von Corians Heer und erfuhr, dass dieser mit seinem Gefolge längst am Hochmoor von Dhuannin stand, um dort den Tag der größten Schlacht in der neueren Geschichte der Lichtwelt zu erwarten.
So machte Mythor kehrt, überquerte die Lorana und erreichte den nördlichen Rand des Hochmoors. Und irgendwann zu dieser Zeit musste es geschehen sein, dass das Lebenslicht des Mädchens endgültig erlosch.
Mythor blieb nur noch die traurige Pflicht, Lorana im Moor beizusetzen. Aber bald schon würde ein Funke in ihr eine Flamme entzünden, die kurz und heftig brennen sollte, bevor sie endgültig erlosch.
*
»Leb wohl, Lorana«, war alles, was ihm über die blaugefrorenen Lippen kam. Dabei hatte er die Arme vor der Brust verschränkt, um die klammen Hände in seinen Achselhöhlen zu wärmen. Er beobachtete, wie ihr Körper langsam im Moor versank.
Es war klirrend kalt, sein Körper war wie steif gefroren. Vor Mythor bildeten sich Wolken, als er ausatmete. Er blickte ein letztes Mal zu der Stelle, wo der Körper des toten Mädchens im Moor versunken war, und dabei ging ihm einiges durch den Kopf.
Vercin, der blinde Mautner der Mühlenarche, der Lorana großgezogen hatte, hatte einige Pläne mit ihnen gehabt. Er hatte ihn dazu ausersehen, zusammen mit Lorana ein neues Geschlecht zu begründen, falls die übrige Menschheit mitsamt der Lichtwelt unterging.
Und nun waren Vercins Hoffnungen begraben: die Mühlenarche unter einem glühenden Stein, der vom Himmel gefallen war, Lorana im Moor. Aber es wäre auch so nichts geworden. Mythor dachte nicht daran, für die Zeit nach dem Untergang der Welt vorzubauen, er wollte ihn lieber verhindern.
Und darum musste er auf dem schnellsten Weg zu Graf Corian, dem Heerführer der Verbündeten der Lichtwelt, und ihn warnen.
Mythor hatte jenseits der Yarl-Linie Dinge gesehen, die ihn zutiefst beunruhigten. Er musste sich fragen, ob es ihm zustand, um ein einzelnes Wesen zu trauern, das er dazu noch kaum gekannt hatte, wo so viele Menschenleben - ein Heer von ungefähr fünfzehnhundert Hundertschaften - auf dem Spiel standen. Und dazu noch der Fortbestand der Lichtwelt! Er war recht zuversichtlich, dass Graf Corian auf ihn hören würde, denn dieser fürchtete die Schwarze Magie wie sonst nichts auf dieser Welt. Es kam nur darauf an, ihn
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