Mythor - 049 - Der Drachensee
keinen Fall für mich. Gibt es hier verschiedene Gruppen?«
»Was denn?« staunte der Einäugige. »Du wagst dich hierher, ohne zu wissen, wer über den See gebietet?«
»Ich suche einen Großen Stummen. Ich bin Mythor…«
»… und er maßt sich an, sich den Sohn des Kometen zu nennen«, warf Hrobon ein.
»Nenne mich Tjubal«, sagte der Einäugige. »Und lass mich dein Ohr sehen!«
Mythor zögerte einen Augenblick, dann gab er seine Zustimmung.
»Tritt heran!«
Damit aber, dass Tjubal sich überzeugte, war es nicht getan – jeder einzelne der Drachentöter schien sich erst zufriedengeben zu wollen, wenn er die gewisse Narbe mit eigenen Augen gesehen hatte.
Die langwierige Prozedur, die Mythor mit Geduld über sich ergehen ließ, bot ihm die Gelegenheit, sich die Drachentöter anzusehen.
Fast ohne Ausnahme handelte es sich um Sieche, Krüppel, Versehrte. Die meisten hatten offenkundige Kampfverletzungen. Es fehlten Zähne, Gliedmaßen, Augen. Mythor sah schreckliche Narben, zum Teil noch erschreckend frisch.
»Wenn du der Sohn des Kometen bist«, erklärte Tjubal, »dann bist du unser Gast. Wir sind Diener des Großen Stummen Flüsterhand.«
Mythor wandte sich zu Hrobon und lächelte.
»Also endlich am Ziel«, sagte er zufrieden. Der Heymalkrieger zuckte verächtlich mit den Schultern.
»Ihr nennt euch Drachentöter? Warum?«
»Wir erschlagen diese Kreaturen, wo immer wir sie finden«, antwortete Tjubal. »Wir sind anders als diese verfluchten Drachenanbeter.«
»Was sind das für Leute?«
»Sie sind die Nachkommen jener ewig Verfluchten, die früher hier gehaust haben. Noch immer haben sie dem elenden Götzendienst nicht abgeschworen. Sie beten zu diesen scheußlichen Drachen und bringen ihnen sogar Opfer. Sie sind fast so schlimm wie die Drachenbändiger.«
»Und was sind das nun für Leute?«
»Ihr habt ihnen ein Boot abgenommen«, sagte Tjubal und deutete auf den Nachen. »Ihr müsst sie also kennen. Es sind Flüchtlinge aus jenen Ländern, die langsam von der immer größer werdenden Düsterzone verschlungen werden. Ein böses Volk, habgierig und grausam.«
»Eure Feinde?«
»Jeder ist unser Feind, der nicht ist wie wir. Es gibt zahlreiche Gruppen hier, mehr, als ich zählen kann, denn das Zählen ist meine Sache nicht. Ich bin Krieger, aber ich kenne meine Feinde. Wir Drachentöter kämpfen gegen die Drachenanbeter und die Drachenbändiger. Man kann sie an den Drachenschwirren erkennen, ihr habt ja auch welche in eurem Boot. Sie rauben, morden und plündern überall, und sie greifen auch die Drachenanbeter an. Nichts ist ihnen hehr und heilig.«
Langsam begriff Mythor die Zustände auf dem See.
»Sei unser Gast, iss und trink, wärme dich an unseren Feuern«, bot Tjubal an. »Bedarfst du eines Weibes?«
»Hehehe!« machte Hrobon boshaft.
»Ich will den Stummen Großen sehen«, sagte Mythor.
Tjubal hob die Brauen. »Erst sei unser Gast«, bestimmte er. »Unser Wein ist gut.«
»Wein? In dieser Gegend?«
Tjubal grinste breit. »Wir gewinnen ihn aus dem Blut der Drachen. Er macht die Männer stark und wild. Du wirst ihn mögen.«
Er führte die beiden Gäste in das Innere des Oberbaus. Der Torbogen musste früher einmal einer recht beachtlichen Sippe als Unterkunft gedient haben, und in den Quartieren der früheren Soldaten hatten sich nun die Drachentöter angesiedelt. Es gab einen großen Raum, der sogar ein geschlossenes Dach hatte. Getrockneter Tang war auf dem Boden ausgestreut worden und duftete aromatisch. In der Mitte loderte ein großes Feuer aus Treibholz, darüber drehte sich eine gewaltige Masse halbgaren Fleisches.
»Drachenfleisch«, sagte Tjubal stolz. »Wir hatten gute Jagd in den letzten Tagen.«
»Hier lässt es sich leben!« Hrobon, der für das wilde Kriegerleben eine Menge übrig hatte, genoss es.
Tjubal wiegte den Kopf.
»Manchmal ist es nicht einfach hier«, gestand er, dann beugte er sich zu Mythor hinab und raunte in sein Ohr: »Es geht eine Sage, hier ginge der Pfnüssel um. Ich weiß es nicht, ich habe ihn nicht gesehen, aber man muss auf der Hut sein.«
Offenbar, so reimte sich Mythor die Sache zusammen, war der Pfnüssel eine Art Gebietsdämon, der diese Nebellandschaft unsicher machte.
Mythor setzte sich mit Tjubal zusammen in die Nähe des Feuers. Es gab in dem Raum etwas mehr als eine Hundertschaft von Kriegern, und Mythor bemerkte, dass sie allesamt angeschlagen waren. Er fragte Tjubal danach.
»Es stimmt«, sagte der Hüne und deutete auf seine
Weitere Kostenlose Bücher