Mythor - 103 - Meuterei auf der Luscuma
fragte der Sohn des Kometen. »Sie sind etwas Besonderes. Was weißt du von ihnen? Wer hat sie getötet?«
»Ich weiß es nicht«, murmelte Robbin niedergeschlagen. »Dämonen oder ihre Shrouks werden sie gemordet haben… weil ich nicht da war, es zu verhindern, weil ich sie nicht sicher an den Fallen vorbeilenken konnte…«
»Wer sind sie, diese Weisen?« wiederholte Mythor seine Frage.
»Sie sind Wanderer, Missionare vielleicht, die durch die Welt ziehen, um ihren Aufgaben nachzugehen. Mehr weiß ich nicht. Was diese Aufgaben sind, und woher sie ursprünglich kommen, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich bin nur ihr Pfader.«
Er stockte und sah den treibenden Toten nach, die durch die Schwere Luft davonglitten.
»Sie beauftragten mich, sie zu führen«, fuhr er schließlich fort. »Sie sagten, daß sie eine Abkürzung über die Schattenzone gewählt hätten. Mehr weiß ich wirklich nicht.
Ich muß zu den anderen, muß nach dem Treck sehen! Diesen hier kann ich nicht mehr helfen, aber vielleicht gibt es noch Lebende, die gerettet werden können! Etwas Furchtbares ist geschehen. Unheil lauert überall! Wir müssen fort hier, rasch!«
Er fuhr herum, starrte Burra an. »Veranlasse, daß das Salzfaß in eine Verdauungsöffnung des Schattenwals geschüttet wird«, verlangte er. »Das Monstrum muß uns ausspeien, so rasch wie möglich!«
Burra nickte und hob die Hand, um die Anweisungen zu erteilen.
Es war der Moment, in dem eine neuerliche Erschütterung den Schattenwal erzittern ließ!
2.
Das riesige Ungeheuer zuckte wie in entsetzlichem Schmerz. Die Bauchwand, nach dem Auffüllen des Ballons wieder fast eine Bogenschußweite entfernt, war von einem Moment zum anderen wieder da. Die Schiffsgondel krachte gegen die nachgiebigen Fäden und Noppen, zwischen die Falten und Öffnungen. Holz splitterte. Der heftige Ruck riß sie alle von den Beinen. Mythor suchte verzweifelt nach Halt, umklammerte irgend etwas und hielt sich daran fest.
»Der Ballon!« schrie jemand.
Platzte er gleich auseinander?
»Himmel, hoffentlich hat diese Bauchwand nur weiche Kanten«, hörte der Gorganer Robbin stöhnen. Wieder wurde die Luscuma schwer erschüttert, als der Schattenwal in die entgegengesetzte Richtung zuckte.
Ich bin das Einhorn! Ich bin das Schiff! Ich schütze euch alle! hallte die magische Stimme der Wetter- und Steuerhexe in ihnen auf. Aber niemand nahm sie bewußt wahr.
Um sie herum tobte das Chaos.
Die Luscuma krängte nach backbord. Wieder splitterte und brach etwas, diesmal an der Unterseite, die mit vielfältigen und teilweise ausladenden Teilen bestückt war.
Das ist keine neue Nahrungsaufnahme! durchfuhr es Mythor. Das ist etwas anderes!
Aber was?
Fast schien es ihm, als würde der Schattenwal von außen angegriffen. Aber wer oder was konnte in der Lage sein, sich mit einem derartig gewaltigen Lebewesen anzulegen?
Verrückt, dachte er. Es ist alles total verrückt! Wir befinden uns in einem Alptraum! Wir müssen aufwachen!
Er sah, wie eine Amazone über Bord geschleudert wurde. Kaltes Entsetzen sprang ihn an, als das, woran er sich festhielt, zu brechen begann.
Da riß die Finsternis auf!
Etwas brach mit Macht in das Innere des Schattenwals ein! Von draußen kam Helligkeit – keine Helligkeit, die dem Sonnenlicht entsprang, sondern ein seltsames Lodern. Licht der Schattenzone.
Und Mythor hörte den Schattenwal schreien.
Graues und Braunes zischte an der Luscuma entlang. Fels? Erde? Land? Eine scharfe Steinkante hatte sich in das Riesentier gebohrt und schuf eine gewaltige Öffnung.
»Eine treibende Landmasse!« kreischte Robbin, der sich verzweifelt an Gerrek festhielt. Der Beuteldrache krallte sich mit Klauen und Zähnen in die hölzernen Decksplanken, um nicht ebenfalls davongeschleudert zu werden.
Krachend, knirschend und abermals splitternd wurde die treibende Luscuma von etwas aufgefangen.
Die scharfkantige Landmasse, auf stabilem Fels ruhend, hatte das Luftschiff aufgefangen. Es war gestrandet!
Eine irgendwie kreisende Bewegung erfolgte. Mythor fühlte Übelkeit in sich aufsteigen, und noch lauter als zuvor schrie der Schattenwal. Die scharfkantige Landmasse wurde von dem zuckenden Ungeheuer wieder zurückgeschleudert und trieb in die Schattenzone hinaus. Es wurde noch heller. Lichterscheinungen zuckten über den Himmel.
»Wir sind draußen!«
Ich bin das Einhorn! Wir sind gerettet!
»Aber bestimmt nicht durch dein Dazutun, Hexe«, keuchte Mythor.
Die rasende Bewegung beruhigte sich.
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