Mythor - 129 - Fluch über Nykerien
heftig und sehr erfolglos in das fragliche Mädchen verliebt war. Armer Narr – wer ihn verschmähte, mußte nicht notwendigerweise vom Ideal der Keuschheit besessen sein.
»Also gut. Wie heißt sie, wo kann ich sie finden?«
»Aeda«, murmelte der Hagere. In seine Augen trat der Glanz der Verklärung; er war sehr verliebt. »Du findest sie im Haus der Medaya als Dienerin.«
»Puh« machte ich. Das war eine üble Überraschung. Ausgerechnet der Schwester der Reinheit war diese Aeda dienstbar. Eine harte Nuß, die es da zu knacken galt.
Aber ich hatte eine Hoffnung.
»Wie lange schon?«
»Hä?«
»Wie lange dient sie der Medaya schon?« wiederholte ich.
»Viele Jahre, seit ihrer Kindheit. Aeda wurde sehr streng erzogen.«
Das gab mir Hoffnung. Lebens- und liebeserfahrene Mädchen wußten, daß es für jeden schwärmerischen Verehrer, den sie abwiesen, ein Dutzend anderer als Ersatz gab; nur bei den sorgsam behüteten Töchtern – wie bei meinem gestrigen Wirt – konnte man das erpresserische Spiel jetzt oder nie mit dem nötigen Druck spielen.
»Du erwartest doch nicht, daß ich sie zum Weib nehme«, fragte ich lachend. Das Mädchen auf meinem Schoß wurde mir allmählich ein wenig zu schwer. Ich faßte sie an der Taille und setzte sie auf den Tisch. Dann genehmigte ich mir noch einen Schluck aus dem Becher.
»Ich werde es erfahren, wenn du erfolgreich bist«, stieß der Hagere dumpf hervor.
»Ich nehme die Wette an«, sagte ich und streckte die Hand aus. Der Dürre stand auf, kam auf mich zu. Einen Augenblick lang zögerte er. In seinen Augen flackerte etwas – so oder so, ich konnte diese Wette nur verlieren. Behielt ich mein Gold, bekam ich mit Gewißheit einen erbitterten Feind als Draufgabe.
»Topp!«
3.
»Der Rest für die Götter!«
Der Kapitän schüttete den Rest des Bechers in die Wogen. Es wären nur ein paar Tropfen, die in der Bugwelle verschwanden. Das Schiff machte flotte Fahrt.
Sonnengebräunt, umrahmt von einem dichten schwarzen Bart sah mich das Gesicht des Seefahrers an. Die Kappe hatte er in den Nacken geschoben. Im Gürtel stak ein Dolch mit kostbarer Ziselierungsarbeit.
»Jetzt bin ich gespannt, Necron, wie du deine Waren an den Mann bringen willst«, sagte der Seefahrer mit breitem Grinsen. Vor vier Wochen hatte sein Gesicht bei einem Segelmanöver unsanften Kontakt mit einer Rah gehabt; jetzt wurde das makellose Weiß seiner Zähne von einer unschönen Lücke durchbrochen.
»Warte es ab«, empfahl ich.
Ich lehnte am Mast, roch das Holz und das Pech, mit dem die Nähte kalfatert waren, den Gewürzduft aus dem Laderaum und den unvermeidlichen Gestank nach Bilgehwasser, Schweiß und anderen Ausdünstungen. Es war hohe Zeit, daß die Reise ein Ende nahm.
Nykor lag voraus.
Ein Schlag noch, dann konnte das Schiff ins Hafenbecken einlaufen, nur drei Tage später als erwartet. Wir hatten heftige Stürme hinter uns, einen Überfall heimtückischer Seeräuber – noch schmerzte meine linke Schulter von der Rauferei – und einige andere Mißhelligkeiten, wie sie zum Alltag eines seefahrenden Händlers gehörten.
»Du bist noch reichlich jung für dein Handwerk, Necron«, sagte der Kapitän; seinen Namen hatte ich nie gehört, er wurde einfach bei seinem Rang gerufen.
»Alt genug«, gab ich zurück. In Gedanken überschlug ich die Möglichkeiten, meine Einkäufe in Nykor wieder loszuwerden. Es waren ein paar Sachen darunter, bei denen es nicht weiter schwierig sein würde – feingewirkte Tuche, schillernde Damaste, kostbares Rauchwerk aus dem Norden und natürlich die würzkräftigen Beutel aus dem Süden. Ein paar Amphoren eines Weines, der vom Alter her mein Vater hätte sein können, würde ich mit Sicherheit am Hof des Königs loswerden können – er verstand etwas von edlen Getränken.
Der Rest aber, und der machte den größeren Teil der Ballen und Kisten aus, war schwer abzusetzen, wenn mir nicht etwas ganz Besonderes einfiel, mit dem ich die Kundschaft ködern konnte. Nun, an Einfallsreichtum hatte es mir noch nie gefehlt, mein Witz würde mich auch heute nicht im Stich lassen.
»Los, beeilt euch, ihr faulen Hunde!« schrie der Kapitän. Der Aufmunterung hätte es nicht bedurft – die Seeleute waren selbst begierig, wieder den Fuß auf festes Land setzen zu dürfen. Wenn sie bei der Heimkehr Neugeborene vorfinden sollten, waren die Kinder mit Sicherheit nicht von ihnen – so lange waren wir unterwegs gewesen. Vier Mann waren unterwegs gestorben, es hatte etliche
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