Mythor - 135 - Die Unberührbaren
Spitze gestelltes gleichschenkliges Dreieck. Necron vermutete, daß damit der Rang dieses Mannes unter den Stirnsteinträgern herausgestellt wurde.
Der Ankömmling war groß und schlank. Das Haupthaar und der weitwallende Bart waren weiß und deuteten auf hohes Alter hin, seine Bewegungen aber waren von kraftvoller Geschmeidigkeit. Mancher Jüngling hätte wohl Schwierigkeiten gehabt, es mit dem Alten aufzunehmen.
Die Haut wirkte grau, sie schien wie mit lyrländischem Silberstaub bedeckt. Bekleidet war der Fremde mit einem weiten weißen Umhang, auf den Zeichen und Zahlen gestickt waren, wirr durcheinander, scheinbar willkürlich.
»Wer bist du?« stieß Necron hervor. Seine Stimme klang undeutlich. Auf der einen Seite hatte er den würdevoll aussehenden Alten im Verdacht, etwas mit Odams Versklavung zu tun zu haben, und ganz offensichtlich war er ein Verbündeter des ränkevollen Kutazin – Grund genug also, auf der Hut zu sein.
Auf der anderen Seite empfand Necron Anflüge von Ehrfurcht vor diesem Alten – und das machte ihn zusätzlich mißtrauisch.
»Nenne mich Kometake«, sagte der Weißummantelte freundlich und bestimmt. »Ich bin ein Unberührbarer.«
»Sieh an«, stieß Necron hervor.
Er deutete auf Odam und seine Männer.
»Ist das dein Werk, Kometake?«
Der Nullete lächelte.
»In der Tat«, sagte er. »Ich habe euch geprüft, und diese vier habe ich für würdig erachtet, zu Unberührbaren zu werden.«
Aus seinem Umhang zog er unter der Schulter einen Beutel hervor und öffnete ihn. Necron sah eine Anzahl rötlich schimmernder Körper. Käfer, deren Körper von innen heraus in feurigem Rot zu glühen schienen.
»Sie bewegen sich nur, wenn ich sie zu einem bestimmten Zweck aussetze«, erklärte Kometake. »Dann bohren sie sich nach meinem Willen und Gebot in die Stirn eines Auserwählten und werden dort kristallin. Falls es euch interessiert – Gestalt und Form dieses Kristalls ist ein Gebilde mit zwanzig Flächen.«
»Dem DRAGO…«
Necron unterbrach sich. Der Alte brauchte nicht zu wissen, wie weit Necron in die Geheimnisse des Machtkampfs zwischen Lichtkräften und Dunkelwelt eingeweiht war.
»Dem DRAGOMAE durchaus vergleichbar, wenigstens der Form nach«, setzte Kometake gelassen seinen Satz fort. Er schloß den Beutel und verbarg ihn wieder unter seinem Umhang.
»Du also hast unsere Freunde auf dem Gewissen«, sagte Necron.
»Ich habe sie erwählt«, entgegnete Kometake fest. »Sie sind jetzt Unberührbare wie ich.«
»Es lüstet mich, festzustellen, wie weit diese Unberührbarkeit reicht«, sagte Necron giftig. Er spielte mit einem Messer.
»Ein Zaketer würde dergleichen niemals wagen«, sagte Kometake. »Das ist mit dem Wort gemeint, mehr nicht. Deine Klinge kann mich verletzen und töten, das ist wahr. Aber kein Zaketer wird es wagen, sich an einem Unberührbaren zu vergehen – und das gilt künftig auch für deine Freunde.«
»Ich glaube dir nicht«, sagte Necron einfach.
Kometake legte ein trauriges Lächeln auf.
»Leider hast du recht. Vor offenen Angriffen sind wir Unberührbaren gefeit – nicht jedoch vor meuchlerischem Hinterhalt. Die Macht des HÖCHSTEN ist nicht länger unumschränkt im Reich der Zaketer. Ruchlose Hexer und anderes Gelichter wollen sie an sich reißen, aber wir werden dem widerstehen.«
»Auch Quaron?«
Das bekümmerte Lächeln des Nulleten verstärkte sich.
»Quaron«, sagte er halblaut. »Das ist das Ärgste nicht. Wir wissen nicht, welche Kräfte wider uns streiten. Möglich, daß die drei Herren des Lichtes selbst in die Intrige verstrickt sind – wir wissen es nicht.«
Necron lächelte nun spöttisch. Gerade noch überlegen wirkend, machte der Unberührbare nun einen leichten niedergeschlagenen Eindruck.
»Es scheint nicht viel zu sein, was du weißt«, sagte Necron scharf.
»Fürwahr«, entgegnete der Nullete. Er richtete sich wieder auf, sah Necron an. »Vieles ist im dunkeln verborgen. Was die Zukunft bringen wird, ist keinem kundig – was aus dem arg gebeutelten Reich der Zaketer wird, ist unbekannt. Wir wissen nicht, ob die Flotte der Zaketer gegen das Shalladad ausfahren wird. Im dunklen liegt, ob vielleicht das HÖCHSTE dahinstirbt, ob Chaos seine Spur über das Land ziehen wird. Ob der Lichtbote kommen wird, vermag niemand zu sagen. Das Wissen der Weisen, die Ahnungen der Kundigen, sie alle helfen nicht weiter in diesen Zeiten – nur eines ist gewiß: Es wird sich entscheiden, ob das Gute siegen oder dahinsiechen muß, ob
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