Na endlich Liebling
Haben Sie Ihr Badezeug dabei, oder soll ich Ihnen was leihen?«
Elaine erwiderte liebenswürdig: »Ich mache gern mit. Mein Badezeug habe ich auch eingepackt. Ich will es gleich heraussuchen.«
Sie schwamm und tauchte vorbildlich: Doch Justin hielt sich nicht länger an ihrer Seite. Er saß neben Sally am Rand — unter dem Vorwand, auf Flick achten zu müssen. Bis ins Innerste spürte er Sallys Überraschung und Bestürzung. Ja, ihre Bestürzung! Dieser Gedanke ärgerte ihn, trotzdem dachte er es verbissen immer aufs neue. Das unverhoffte Erscheinen seiner vertrauten Freundin, von der er nie gesprochen hatte, hatte Sally getroffen. Warum eigentlich? Ärgerlich sagte er sich, daß zwischen ihr und ihm nie etwas Ernsteres bestanden hatte als eine herzliche und vertrauensvolle Freundschaft. Jedenfalls hatte er den leichten Anfall seiner Verliebtheit nie zu erkennen gegeben. Nur weil sie nicht glücklich war, hatte Sally sich ihm zugewandt. Sie war zwischen Clive und ihrem Vater hin und her gerissen; sie war überarbeitet und deprimiert und brauchte einen Menschen, der mit ihr fühlte. Im Grunde liebte sie Clive, trotz seiner Herrschsucht, und seines unausgeglichenen Temperaments. Sie hatte gewiß kein Recht, auch Justin für sich zu beanspruchen.
Natürlich freute er sich über das Wiedersehen mit Elaine, jetzt, nachdem der erste Schock der Überraschung überwunden war. Andererseits tat es ihm leid, daß sie bei diesen Leuten so gar nicht in ihrem Element sein würde, dieses Leben der »Hinterwäldler« paßte so wenig zu ihr. Nun ja, sie würde wahrscheinlich bald wieder abreisen. Da er nicht besonders eingebildet war, kam es Justin nicht in den Sinn, daß sie mit ihrem Besuch eine bestimmte Absicht verfolgen könnte.
Das Erstaunliche war, daß sie sich mit ihnen allen ausgezeichnet zu vertragen schien. Sie scherzte und lachte; sie schwamm mit Diana um die Wette und trug den Sieg davon. Was die Männer anging — nun, Männer fielen ihrem Charme stets schnell zum Opfer.
Schon fühlte sich Justin gekränkt und zur Seite geschoben. Schließlich zogen sie sich alle an und gingen wieder zum Garten beim Schulhaus zurück. Die Szenerie, die sich ihnen dort bot, war äußerst friedlich: Mr. Ross schlummerte sanft im Schatten, während die drei anderen auf der Veranda behaglich plauderten.
»Fein, daß Sie gerade zur rechten Zeit gekommen sind!« sagte Mrs. Neal freundlich zu Elaine. »Bill freut sich bestimmt, zu Weihnachten jemand aus seinem eigenen Freundeskreis bei sich zu haben.«
»Bill...«, wiederholte Elaine. Justin fiel ein, daß er ihr von seinem neuen Namen nichts geschrieben hatte. Sie nahm es gelassen hin, ohne Überraschung zu zeigen. »Es ist sehr nett von Ihnen, mich nicht fühlen zu lassen, daß ich mit der Tür ins Haus gefallen bin.«
»Wieso kommst du eigentlich ausgerechnet zu Weihnachten hierher?« fragte Justin. Er merkte, daß der Ton seiner Stimme, über die er anscheinend keine Kontrolle mehr hatte, sehr kühl war, wo sie doch herzlich klingen sollte.
»Um die Wahrheit zu sagen«, erwiderte Elaine mit treuherzigem Augenaufschlag, »bin ich vor den Festlichkeiten zu Hause davongelaufen. Du kennst das ja: Partys und wieder Partys während der letzten vierzehn Tage, und dann kommt noch der allerschwerste Tag. Ich weiß, es hört sich herzlos an, aber wer nicht selbst Neffen und Nichten hat, kann das nicht verstehen... Just... Bill, du hast keine Geschwister, also weißt du auch nicht, wie das ist.« Mit einem entwaffnenden Lächeln blickte sie in die Runde. »Sie müssen wissen, daß ich die Jüngste von vieren bin, die einzige, die noch nicht verheiratet ist. Ich besitze nicht weniger als sieben Neffen und Nichten im Alter zwischen drei Monaten und sechs Jahren. Zu Weihnachten kommen sie alle zu uns; seit fünf Jahren habe ich das mitgemacht. Dieses Jahr wollte ich mal Urlaub haben.«
»Du bist also geflohen, und das Klagegeschrei der Familie folgte dir«, meinte Justin.
»So war’s nun auch wieder nicht. Den Kindern macht’s nichts aus, denn natürlich habe ich die Geschenke für sie dagelassen.«
»Und Sie machten sich frei, das war vernünftig«, lobte Diana.
»Ja, vor drei Tagen fuhr ich los, gondelte gemütlich durch viele seltsame Ortschaften, übernachtete in kleinen Hotels an der Straße und fand’s einfach herrlich.«
»Aber wo wollten Sie denn eigentlich hin?« fragte Clive nicht besonders taktvoll.
»Ich wollte nach dem Norden«, antwortete sie leichthin, »aber
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