Na endlich Liebling
ihre Reize spielen lassen und Percy überreden. »Sagen Sie ihm, daß man besondere Meldungen auf meinen Apparat legen könnte. Er kann ja vorher überall Bescheid sagen. Alle Betriebe sind geschlossen, da kann es keine Schwierigkeiten geben.«
Doch Diana hatte keinen Erfolg. »Wenn die ihn nicht kapern kann, wer dann?« meinte John.
Merkwürdigerweise kam, nachdem alle anderen versagt hatten, Mrs. Neal zum Ziel. Justin wußte nicht, wie sie das zuwege gebracht hatte, denn die beiden hatten längere Zeit in geheimer Sitzung allein im Büro getagt. Als sie herauskamen, hörte er, wie Mrs. Neal mit leiser Stimme, ganz anders, als es sonst ihre Art war, zu Percy sagte: »Dann kommen Sie doch bitte mir zuliebe. Dann ist es gleich ganz anders. Sie wissen doch, wie sehr ich solche Gelegenheiten fürchte.«
Es wurde eine gelungene Party. Miß McLean war, unterstützt von Diana, eine vorzügliche Gastgeberin. Es gab wenig Kocherei, denn jeder hatte selbst etwas zubereitet und mitgebracht. Percys großzügiger Beitrag, ein Fruchtsalat in Dosen, fand großen Anklang.
Anfangs schien Mrs. Neal ernst und niedergeschlagen zu sein. Justin hatte den Eindruck, daß sie an andere, glücklichere Weihnachten dachte. Das war schade, denn es war doch wichtig, daß Philip Ross sie von der nettesten Seite kennenlernte. Justin war sehr erleichtert, als sie, wenn auch mit merklicher Anstrengung, wieder ihre bekannte heitere Art zeigte.
Im allgemeinen war es ein harmonisches Beisammensein. Auch diejenigen, die Justin etwas verdrießlich als die glücklichen Paare bezeichnete, schienen einig und zufrieden zu sein. Diana leuchtete geradezu, und John, dessen sanfte Liebenswürdigkeit die Stärke seines Charakters verdeckte, war stets an ihrer Seite, stand aber nicht in ihrem Schatten. Auch Sally und Clive schienen ihre Meinungsverschiedenheiten beigelegt und die unangenehmen Vorgänge in der Spülküche vergessen zu haben.
Im Grunde war aber Percy der Star des Tages. Im stillen hatte Justin sich gefragt, wie Percy sich wohl bei dieser Party verhalten werde. Nie zuvor hatte er ihn außerhalb seiner gewohnten Umgebung gesehen. Dort war er gleichsam ein ungekrönter König. Würde er sich anderswo, unter diesen Menschen, die eigentlich eine andere Sprache sprachen, auch so sicher bewegen? Ja, Percy war der Mittelpunkt der Gesellschaft: Mrs. Neal schien Trost bei ihm zu finden, Diana neckte ihn liebevoll, und Sally unterhielt sich mit ihm in dem freundlichen, fast zärtlichen Tonfall, von dem Justin angenommen hatte, daß er nur ihm gelte.
Ja, Percy war entschieden der Liebling aller.
Am Nachmittag wurde es heiß und still. Die meisten ließen sich im Schatten der Bäume nieder, Percy, Miß McLean und Sally spülten das Geschirr ab; John und Clive unterhielten sich rauchend über die Aussichten der nächsten Schafschur. Mrs. Neal saß untätig und etwas verloren im Gras. Justin wollte gerade über den Rasen gehen, um ihr Gesellschaft zu leisten, da hielt Diana ihn zurück. »Wir sind fertig mit dem Aufräumen. Was wollen Sie jetzt machen? Doch nicht etwa sich zu Mrs. Neal setzen? Nein, nein! Das ist der richtige Moment, um ihr den Freier näher zu bringen.«
Justin sah sich um. Mr. Ross döste nach der ungewohnt reichlichen Mahlzeit vor sich hin.
»Ach, lassen Sie doch den alten Knaben in Ruhe! Dem ist jetzt gewiß nicht romantisch zumute.«
»Dann muß er sich eben zusammennehmen. Gerade so ein gutes Essen macht die Männer unternehmungslustig. Ich werde ihn herüberlotsen.« Und mit betonter Herzlichkeit rief sie: »Lieber Mr. Ross! Bitte setzen Sie sich doch zu uns hierher in den Schatten!
Erzählen Sie uns von dem großartigen Buch über Gefängnisse, das Sie neulich gelesen haben!«
Philip Ross erhob sich langsam. Eigentlich hatte er gar keine Lust; viel lieber wäre er jetzt für sich geblieben. Aber die Höflichkeit gebot, der Aufforderung einer Dame zu folgen. Er kam näher und ließ sich möglichst gewandt auf dem Kissenberg nieder, den Diana hilfsbereit für ihn aufgebaut hatte. Sie bat auch Justin herbei, der am Weihnachtstag manches andere lieber getan hätte. Doch er folgte gehorsam in Erwartung eines weitschweifigen Vortrags. Die Reform der Gefängnisse war, wie er wußte, ein Hobby von Mr. Ross; er betrieb es eifrig, allerdings nur in der Theorie und vom heimischen Herd aus. Justin lauschte mit wachsender Langeweile.
»...Sie erinnern sich gewiß an Oscar Wildes Ballade vom Zuchthaus zu Reading...«
Strafrechtsreform!
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