Na endlich Liebling
nicht einfach davonlaufen und die Niederlage einstecken. Sie würde Mrs. Neals Einladung annehmen.
Nebenan hörte Mrs. Neal Elaine leise auf und ab gehen. Sie erriet die Situation und seufzte bei dem Gedanken an die Freuden und Leiden und die schweren Probleme der Jugend. Und doch, wie einfach schienen sie im Vergleich mit denen des späteren Lebens! Nach einer Stunde schlief Elaine tief und fest, während Lydia Neal bis Tagesanbruch wach lag.
»Ich bleibe gern noch hier, vielen Dank!« sagte Elaine beim Frühstück am nächsten Morgen. »Aber nur, wenn ich Ihnen helfen darf. Sie haben sich sicherlich allerlei Arbeiten für diese ruhigen Tage vorgenommen. Die könnten wir gemeinsam erledigen. Hausarbeit ist, ehrlich gesagt, mal eine Abwechslung für mich.«
Trotz aller Einwände war sie am Vormittag eifrig an der Arbeit. Angetan mit einer Schürze von Mrs. Neal, räumte sie die Schränke in der Vorratskammer auf. Da hörte sie die Dame mit verzweifelter Stimme am Telefon: »Ach, Percy! Ausgerechnet heute! Kann man da nicht ablehnen?« Offenbar war das nicht möglich, denn Mrs. Neal hängte ein und kam ganz verzagt zu Elaine herüber.
»Ich dachte, ich hätte endlich einmal Ruhe! Aber ich hätte es ja ahnen können. Gerade hat Percy angerufen und mir mitgeteilt, daß heute nachmittag ein Trupp von fünf Leuten ankommt.«
»Das macht doch nichts!« sagte Elaine vergnügt. »Ich bin hier in einer Stunde fertig; dann können wir uns ans Kochen und Bettenrichten machen.«
»Aber das wollte ich nicht, als ich Sie zum Bleiben aufforderte. Bill kommt zum Lunch und will Sie mitnehmen, um Ihnen alles zu zeigen und um Sie näher mit Percy und Flick bekannt zu machen.«
»Die werden ein bißchen warten. Hier, in der Büchse für den Reis ist nur noch ein Pfund drin! Soll ich Bill anrufen, damit er ein paar Sachen, die knapp werden, gleich mitbringt, wenn er kommt?«
Komisch, dachte sie im stillen, wie leicht ich Bill sage statt Justin. Kam das wohl daher, daß Justin, der Justin, den sie von früher kannte, zur Zeit gleichsam verschwunden war?
Als er in dem klapprigen alten Lieferwagen vorfuhr, aus dessen Fenster Flick nach Luft schnappte, fand der junge Mann ein gewandtes Mädchen, das die Lieferungen abnahm und nachprüfte. Ja, sie prüfte sie nach! Diese Vorstellung war umwerfend!
»Bring nur alles herein! Ich werde alles abhaken und verstauen.«
Sie war so ruhig und selbstsicher, daß Justin sich richtig albern vorkam, wenn er an die schlaflos verbrachten Nachtstunden dachte, an das fatale Gefühl der Untreue.
Und doch: Als sie eine halbe Stunde später das Geschirr vom Lunch abspülten, gerieten sie fast wieder ins Streiten.
»Siehst du nun, daß ich sehr wohl mal etwas ganz anderes machen und mir auch so mein Brot verdienen kann?« sagte Justin herausfordernd.
»Du hattest aber auch unglaublichen Dusel mit einem selten netten Chef und einem Kreis Gleichgesinnter!«
»Oho, sie sind nicht alle so! Es gibt auch Schwierigkeiten und Probleme. Und was die Gleichgesinnten betrifft: Es kommt darauf an, was man erwartet. Wenn man ein geselliger Mensch ist, dann...« Er brach ab, es klang so nach Angeberei. »Natürlich sind sie schrecklich nett«, setzte er dann anerkennend hinzu, »aber glaubst du nicht auch, daß die Leute deshalb so sind, weil man ihnen entgegenkommt?«
Das war nicht schlecht, doch sie behielt ihr leises, rätselhaftes Lächeln:
»Diesen Menschen muß man ja freundlich entgegenkommen! Und der Job hier — verzeih, wenn ich das so offen sage — , besonders schwer ist er nicht!«
»Du kennst ihn ja noch gar nicht richtig! Jedenfalls habe ich dir bewiesen, daß ich in der Lage bin, überall mein Brot zu verdienen.«
»Na und?« Sie schien wirklich gereizt zu sein. »Hier könnte das jeder!«
»Jeder? Wetten, daß du es nicht könntest?«
»Du kannst leicht wetten, ich habe ja keine Anstellung hier.«
»Hach, hier gibt’s eine Menge Frauen auf den Farmen ringsum, die froh wären um eine Hilfe im Haushalt oder vielleicht im Kuhstall. Wenn du einen Job suchst, wirst du bald einen finden.«
Sie brauchte nicht lange zu suchen. Er war gerade wieder abgefahren — wegen der unerwarteten Einquartierung ohne sie — , da trat Mrs. Neal ins Zimmer; ihr Gesichtsausdruck war jetzt noch verzweifelter als zuvor.
»Die Köchin kommt nicht zurück! Dieses Biest! Ich hätte es mir ja denken können, als sie all ihren Kram mitnahm, sogar ihre scheußliche Teppichstickerei; sie behauptete, sie wolle an den
Weitere Kostenlose Bücher