Nach all diesen Jahren
Eine Berührung genügt, und du bist Wachs in meinen Händen.“ Wie zum Beweis zog er mit dem Finger zart eine Linie von ihren Brüsten über den Bauch zu ihren Schenkeln, bis sie sich unter der Berührung wand und die Hände in seinem Haar vergrub.
Jetzt folgte er mit den Lippen der Spur seiner Finger. Dabei bedeckte er ihren Mund mit der Hand und lächelte. Wie schwer es ihr fällt, nicht laut aufzustöhnen, dachte er.
Nur einige wenige Male konnten sie den alten, verbeulten Landrover nehmen und zum Strand fahren, wo sie sich eine geschützte Stelle suchten und sich ungestört lieben. Normalerweise fanden sie bei all der Arbeit keine Gelegenheit dazu und waren zu einem Liebesspiel gezwungen, das einem stark ritualisierten, hoch komplizierten Tanz ähnelte. Aber gerade das hatte seinen eigenen Reiz.
Sarah öffnete die Augen. Sie wollte, sie musste Raoul sehen. Seine tiefbraune Haut neben ihrer so viel helleren, das Spiel seiner Muskeln bei jeder seiner Bewegungen. Er wirkte stark, wild und doch so geschmeidig wie eine Raubkatze.
Das silberne Licht des vollen Mondes schien ins Zimmer und ließ alle Konturen deutlich hervortreten. Sie ließ die Augen nicht von Raouls markanten Zügen, während er mit den Lippen ihren Körper liebkoste.
Manchmal fühlte sie sich wie im Himmel. Noch immer ergriff sie ehrfürchtiges Staunen, diesem Mann begegnet zu sein und dieses Glück erleben zu dürfen. Das Schicksal musste es so für sie vorherbestimmt haben … sie hatte sich für diesen Mann bewahrt. Und er kam, sah … und eroberte ihr Herz.
Als sein Drängen fordernder, der gemeinsame Rhythmus ihrer Körper stärker wurde, gab es keinen Raum mehr für Gedanken. Selbst die beunruhigenden Gedanken der letzten Tage verflogen. Es gab nur noch sie beide. Sie wurden eins. Die Woge der Erregung trug sie höher und höher. Sie schlang die Beine um seine Hüften, klammerte sich an ihn. Die Welle erreichte ihren höchsten Gipfel. Sarah unterdrückte einen Schrei. Ihr Körper bebte … und die Welt explodierte.
Nach und nach wurde ihr Atem ruhiger, und sie nahm ihre Umgebung wieder wahr. Sie sah Raouls gepackte Koffer, die wie zwei Wächter neben dem altmodischen Kleiderschrank standen. Plötzlich kehrten die nagenden Zweifel mit voller Macht zurück.
Raoul barg seinen Kopf an ihrem Hals, und sein Körper entspannte sich. Dann stemmte er sich hoch und legte sich neben sie. Er umarmte sie und zog sie an sich. Einen Moment herrschte absolute Stille. Wie lange es wohl dauert, bis die Moskitos feststellen, dass es jetzt einen viel größeren Landeplatz gibt, überlegte er angenehm schläfrig, während er unter halb geschlossenen Lidern das zerwühlte Laken und das weit geöffnete Moskitonetz betrachtete.
„Ich … ich muss mit dir reden“, sagte Sarah leise.
Alles in ihm erstarrte. Seiner Erfahrung nach war dies der Auftakt zu einem Gespräch, das er absolut nicht führen wollte.
„Ich merke schon, dass du nicht gerade begeistert bist. Trotzdem müssen wir etwas klären. Ich meine … deine Koffer sind gepackt. Du reist in zwei Tagen ab! Und … und was wird dann aus uns?“
Raoul legte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Diese Frage hatte ja kommen müssen! Bis jetzt hatte er den Gedanken an diesen Moment jedoch erfolgreich verdrängt. Immerhin hatte Sarah ihn derart gefesselt, dass er auf sein übliches Sprüchlein – keine Beziehung, keine Verpflichtung – verzichtet hatte. Jedes Mal, wenn er in diese smaragdgrünen Augen blickte, erstarben ihm die Worte im Mund.
Unwillig drehte er sich auf die Seite und sah Sarah an. Ihr honigblondes Haar umrahmte in einem wilden Lockenkranz ihr Gesicht, und er strich ihr behutsam eine Strähne aus der Stirn.
„Ich weiß nicht.“ Er seufzte.
„Du weißt es nicht …“
Seine Worte wirkten wie eine eiskalte Dusche auf Sarah. Aber tapfer beschloss sie nachzuhaken. Sie hatte keine andere Wahl. Es konnte nicht sein, dass mit Raouls Abreise plötzlich alles zu Ende sein sollte. Sie hatten in der kurzen Zeit so viel gemeinsam unternommen. Mehr als manches Paar in einem ganzen Leben. Sie weigerte sich zu akzeptieren, dass das alles in zwei Tagen nichts mehr gelten sollte.
„Als ich hierherkam, hatte ich nicht vor, eine Beziehung anzufangen“, gestand Raoul widerstrebend. Zum ersten Mal verließ ihn seine gewohnte Nonchalance. Er war es einfach nicht gewohnt, über Gefühle zu sprechen. Mit niemandem. Zumindest hatte er es noch nie getan. Er hielt sich für absolut unfähig
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