Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
Einführung
Seit dem ersten temporären Zusammenbruch des Interbankenmarktes sind bei der Abfassung dieser Zeilen, im August 2012, genau fünf Jahre vergangen. Über die erste Welle der Krise und ihre amerikanischen Ursprünge habe ich in meinem Buch Kasino-Kapitalismus geschrieben, das im Frühjahr 2009, ein halbes Jahr nach der Lehman-Krise, erschien. Damals habe ich schon auf die Gefahren für die Staaten Europas, insbesondere Italiens, verwiesen. Das zehnte Kapitel des Buches trug die Überschrift Bleibt Europa stabil? Seitdem ist viel passiert, und heute stellt sich diese Frage drängender denn je. Das ist der Grund für dieses Buch.
Im Mittelpunkt steht das Thema der Target-Kredite, die im großen Stil von einigen nationalen Notenbanken des Eurosystems in Anspruch genommen wurden und die offiziellen Rettungskredite in den Schatten stellen. Bislang verstehen nur die Fachleute, worum es sich dabei handelt. Die Regierung bestreitet noch, dass es solche Kredite überhaupt gibt. Nach der Lektüre dieses Buches wird aber jeder verstehen, um was es hier geht, und er muss es verstehen, denn es steht das Vermögen eines jeden einzelnen Bürgers auf dem Spiel.
Das Buch ist nicht auf das Target-Thema beschränkt, sondern es will das Krisengeschehen an sich verständlich machen und Wege zu einem funktionsfähigen europäischen Wirtschaftssystem aufzeigen. Es gibt für Deutschland keine Alternative zu einem vereinten Europa, und auch den Euro sollte man nicht zur Disposition stellen. Über den richtigen Weg einer Vertiefung der europäischen Integrationmuss man aber diskutieren dürfen, ohne gleich zum Europafeind abgestempelt zu werden, bloß weil man den Kurs der europäischen Regierungschefs und der Europäischen Zentralbank (EZB) kritisch sieht.
Die Eurokrise ist inzwischen von den Banken zu den Staaten und in die Realwirtschaft hinübergeschwappt. Sie wird als immer brenzliger und unbeherrschbarer empfunden, obwohl den Krisenländern des Euroraums während der ganzen Zeit über die EZB und die Rettungsschirme geholfen wurde. Schwindelerregende Rettungssummen werden mit wachsender Hektik durch die Parlamente und den EZB-Rat gepeitscht, um die sich zuspitzenden Probleme des Eurosystems zu bändigen, und doch scheint die Politik der Krise nicht Herr zu werden. Immer mehr Abschreibungslasten werden bei den Kreditgeschäften und Investitionsprojekten der Banken und Unternehmen der südlichen Länder sichtbar, und auch die Staaten geraten zunehmend ins Straucheln.
Die CDS-Versicherungsprämien für den Schutz gegen einen Konkurs des deutschen Staates haben sich in der Krise mehr als verzehnfacht, und während ich diese Zeile schreibe, hat die Ratingagentur Moody’s, eine der beiden größten auf der Welt, gerade gewarnt, dass es Deutschland auch wegen der Belastungen durch mögliche Target-Verluste seine Bestnote nehmen könnte.
Die europäische Politik stolpert voran, und von Gipfel zu Gipfel fällt ihr nichts Besseres ein, als die noch soliden Länder zu immer größeren Rettungsversprechen zu veranlassen. Das hält dann für eine Weile, bis die Mittel zur Neige gehen und die Krise wieder von Neuem aufflackert.
Was soll man nur tun? Vor der richtigen Therapie muss die richtige Diagnose stehen. Es gibt zwei Theorien über die Natur der Krise, die im Wettstreit stehen. Die eine ist die Geld-im-Schaufenster-Theorie, die andere die Fass-ohne-Boden-Theorie. Nach der einen leidet die Eurozone nur unter einer Vertrauenskrise der Kapitalmärkte, nach der anderen leidet sie unter einer Strukturkrise, die aus der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit resultiert.
Das Problem ist heute, dass die Krisenländer für ihre Staatsschulden und auch die Darlehen ihrer Privatwirtschaft hohe Zinsen zahlen müssen, weil die Gläubiger immer skeptischer werden, ob sie ihr Geld jemals wiedersehen werden. Insoweit stimmen die beiden Theorien noch überein. Der Unterschied liegt in den vermuteten Gründen für die hohen Zinsen.
Die Vertreter der Geld-im-Schaufenster-Theorie glauben, dass die Kapitalmärkte durch eine irrationale Skepsis gekennzeichnet sind. Sie denken so: Die Krisenländer sind eigentlich solvent, aber wenn sich die Furcht vor einer möglichen Insolvenz erst einmal verbreitet, steigen die Zinsforderungen der Gläubiger, und das erzeugt die Insolvenz dann wirklich. Stellt die Staatengemeinschaft genug Rettungsgelder zur Verfügung, wird der Teufelskreis aus einem Verlust an Vertrauen und immer höheren Zinsen durchbrochen, weil
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