Nacht des Begehrens - Cole, K: Nacht des Begehrens
versuchen, ihn zu trösten. Er sah nichts als einen roten Schleier vor seinen Augen, fühlte nichts als Feuer, das seine Haut verbrannte. Seit drei Tagen schon spürte er die Gegenwart des Feindes, und jetzt befand er sich in der Nähe seiner Gefährtin . Er griff an.
Als sich der Schleier verzog, konnte er nicht begreifen, was er sah. Er hielt Emmas Hals mit eisernem Würgegriff umklammert; ihre Klauen gruben sich in seine Arme, während sie nach Luft schnappte und um ihr Leben kämpfte. Noch bevor er reagieren konnte, sah er, wie in ihrem rechten Auge ein kleines Blutgefäß barst.
Mit einem lauten Schrei ließ er sie los und entfernte sich mit einem Satz von ihr. Sie fiel auf die Knie, rang nach Luft, hustete. Er eilte zu ihr, um ihr zu helfen, aber sie zuckte zurück und streckte abwehrend die Hände aus.
„Oh Gott, Emma, ich wollte doch nich t … Ich hatte etwas gesehe n … Ich dachte, du wärst ein Vampir.“
Sie hustete. „Bi n … ic h … ja auch“, brachte sie mit heiserer Stimme hervor.
„Nein, ich dachte, da wär e … ein anderer, einer von denen, die mich eingesperrt haben.“ Der Biss, das Blut mussten wohl diese entsetzlichen Albträume ausgelöst haben. „Ich dachte, du wärest er.“
„Wer?“ , schnappte sie.
„Demestriu“, brachte er schließlich heraus. Trotz ihrer schwachen Proteste zog er sie in seine Arme. „Ich wollte dir niemals wehtun.“ Ihn überlief ein Schauer. „Es war ein Unfall, Emma.“
Aber seine Worte zeigten keinerlei Wirkung. Sie lag zitternd in seinen Armen, zu Tode erschrocken.
Sie vertraute ihm nicht, hatte ihm nie vertraut, und gerade hatte er sie daran erinnert, wieso nicht.
Aus den Augenwinkeln heraus sah Emma, wie er eine Hand vom Lenker nahm und sie noch einmal ausstreckte, um sie zu berühren. So wie es bisher noch jedes Mal gewesen war, schloss er sie zu einer Faust und zog sie wieder zurück.
Sie seufzte, legte ihr Gesicht an das kalte Fensterglas und starrte hinaus, ohne etwas wahrzunehmen. Sie war hin- und hergerissen wegen dem, was passiert war, und wusste nicht, wie sie reagieren sollte.
Sie war nicht wütend auf ihn wegen des Vorfalls. Sie war so dämlich gewesen, einen Lykae zu berühren, der einen Albtraum hatte, und dafür hatte sie den Preis zahlen müssen. Aber sie bedauerte, dass ihr Hals schmerzte und sie keine Tablette nehmen konnte, um den Schmerz zu lindern. Und sie bedauerte, was sie über ihn erfahren hatte.
Sie hatte sich gefragt, ob es möglich war, dass die Horde ihn gefangen genommen hatte, diese Idee aber wieder verworfen, weil es einfach nicht vorkam, dass Gefangene der Horde entkamen. Sie hatte jedenfalls noch von keinem einzigen Fall gehört. Selbst ihre Tante Myst, die sogar das Innere einer der Festungen der Horde mit eigenen Augen gesehen hatte, hatte erst dann fliehen können, als die Burg von Rebellen eingenommen worden wa r – und ein General der Rebellen sie befreit hatte, um sie zu lieben.
Nachdem sie also die Horde ausgeschlossen hatte, war Emma der Gedanke gekommen, dass das Ganze etwas mit Politik zu tun haben könnte, da er ja schließlich der Anführer der Lykae war. Möglicherweise eine Art Putsch seiner eigenen Leute.
Und doch war es Demestriu gewesen, der bösartigste und mächtigste aller Vampire, der ihn gefangen genommen hatte. Und wenn die Gerüchte über Furie der Wahrheit entsprachen, wenn die Erzählungen über ihre Folterqualen am Grunde des Meeres stimmten, was hatte er dann Lachlain angetan? Hatte Demestriu auch ihn zum ewig wiederkehrenden Tod durch Ertrinken verurteilt? Ihn in Ketten legen lassen und bei lebendigem Leibe begraben?
Einhundertfünfzig Jahre lang hatten sie ihn gequält, bis er dem Unentrinnbaren entronnen war. Und sie fürchtete, dass er dabei irgendwie sein Bein verloren hatte. Sie konnte sich die Schmerzen nicht einmal annähernd vorstellen. Endlose Qualen, die er so lange erduldet hatte, nur damit das Ganze dann auf diese Weise seinen Höhepunkt erreicht e … ?
Was heute Abend passiert war, war nicht seine Schuld. Doch wenn sie sich seine niedergeschlagene Miene anschaute, war er vom Gegenteil überzeugt. Aber mit all dem Wissen, über das sie inzwischen verfügte, verübelte sie es ihm jetzt, dass er sie mitgenommen hatte. Was zum Teufel hatte er sich dabei gedacht? Emma wusste: Nach allem, was er durchgemacht hatte, war der Vorfall von heute Abend unvermeidlich gewesen. Irgendwann musste er vor Wut über sie explodieren, und es könnte sein, dass dies nicht das
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