Nacht ohne Schatten
sind.
»Er wurde nicht verbrannt, aber er wurde exakt zum Ende der Karnevalszeit ermordet. Und dann diese Haltung: Wie Jesus am Kreuz â¦Â«
Ekaterina Petrowa hebt den Schädel des Toten an und begutachtet eine Platzwunde am Hinterkopf.
»Er ist niedergeschlagen worden«, folgert Manni.
»Oder die Schädelverletzung stammt vom Sturz. In jedem Fall ist sie frisch.« Sanft lässt die Russin den Kopf zurück aufs Pflaster gleiten, untersucht die Hände des Toten, betastet die Ãrmel der Soutane. »Keine Abwehrverletzungen, soweit ich das vor der Obduktion erkennen kann.«
»Der Mörder war schnell.« Manni versucht sich den Tathergang vorzustellen. »Er überrascht sein Opfer, rammt ihm Schwert oder Messer in die Brust â¦Â«
»Der Priester lag auf dem Rücken, als der Täter zustach«, widerspricht Ekaterina Petrowa. »So wie das Blut ausgelaufen ist, vermute ich, dass es so war.«
»Er fällt also und verliert das Bewusstsein.«
Die Rechtsmedizinerin wiegt den Kopf hin und her. »Nicht unbedingt.«
»Er muss bewusstlos gewesen sein. Verteidigung ist ein Reflex. Selbst ein Priester liegt doch nicht einfach da und lässt sich töten.«
»Seine Augen sind offen«, sagt Ralf Meuser leise. »Als sehe er seinen Möder an.«
»Warum hat er sich dann nicht gewehrt?«
»Vielleicht war er zu geschockt. Vielleicht kannte er seinen Mörder.«
MÃRDER. Wieder starrt Manni die Botschaft an. Es wird Ãrger geben, denkt er. Druck, Hysterie, Komplikationen, vor allem, wenn dieser Mann hier tatsächlich ein katholischer Priester ist. Er checkt seine Armbanduhr, es ist schon bald fünf, auch wenn vom Tageslicht noch nichts zu sehen ist.
An der Polizeiabsperrung entsteht Unruhe, jemand ruft. Manni fährt herum, braucht einen Moment, um zu begreifen, dass das, was er dort sieht, keine optische Täuschung ist. Eine Prozession Nonnen, dunkel gewandet mit weiÃen Hauben, ist aufmarschiert und sieht zum Tatort hinüber. Stumm und würdevoll, als seien sie gekommen, um zu kondolieren.
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2009
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