Nacht über den Wassern
wie meine Schwester haben ihn so gemacht, dachte Margaret; Faschisten haben ihn verfolgt und in ständige Angst versetzt. Ich kann es ihm nicht verdenken, daß er es kaum erwarten kann, Europa zu verlassen.
Vom Wartesaal aus konnten sie das Flugzeug nicht sehen, deshalb ging Percy auf Erkundung aus und wußte scheinbar alles, als er zurückkam. »Der Start wird planmäßig um vierzehn Uhr erfolgen«, berichtete er. Margaret rann ein Schauder über den Rücken. »In etwa eineinhalb Stunden ist dann unsere erste Zwischenlandung«, fuhr er fort, »in Foynes. Irland hat Sommerzeit wie Großbritannien, also kommen wir um halb vier an. Dort wird aufgetankt. Nach etwa einer Stunde geht‘s weiter, also um halb fünf.«
Margaret bemerkte neue Gesichter im Wartesaal, Passagiere, die nicht im Sonderwagen gewesen waren. Einige mußten wohl am Vormittag direkt nach Southampton gekommen sein oder hatten hier in einem Hotel übernachtet. Während sie das dachte, stieg eine auffallend schöne Frau aus einem Taxi aus. Sie war in den Dreißigern, blond und mag ein elegantes hellbeiges Kleid mit roten Tupfen. Ihr Begleiter war ein verhältnismäßig unauffälliger, sympathischer Mann in einem Kaschmirblazer. Alle blickten sie an: Sie sahen so glücklich aus.
Wenige Minuten später erfolgte die Aufforderung, sich an Bord des Clippers zu begeben.
Sie kamen durch den Vordereingang des Imperial Houses direkt auf den Kai. Das Flugzeug war dort festgemacht und schaukelte sanft auf dem Wasser; die Sonne spiegelte sich in seinen silbernen Seitenteilen.
Es war riesig.
Margaret hatte nie ein Flugzeug gesehen, das auch nur halb so groß gewesen wäre. Es war hoch wie ein Haus und so lang wie zwei Tennisplätze. Auf die Schnauze, die der eines Wals ähnlich sah, war die amerikanische Flagge gemalt. Die Tragflächen waren weit oben, auf gleicher Höhe mit dem Rücken des Rumpfes, und vier gewaltige Motoren waren in sie eingebaut; die Propeller maßen bestimmt über vier Meter.
Wie konnte ein solcher Gigant fliegen?
»Ist es sehr leicht?« fragte sie sich laut.
Percy hörte es. »Einundvierzig Tonnen«, antwortete er prompt.
Das war, als stiege man mit einem Haus in die Lüfte.
Sie kamen zum Kairand, eine kurze Laufplanke führte sie auf etwas, das wie ein gedrungener Zweitflügel aussah, der halb unter Wasser lag. »Ein stabilisierender Wasserflügel«, erklärte Percy, »Stummelflosse genannt. Er verhindert, daß das Flugzeug im Wasser seitwärts kippt.« Die Oberfläche dieser Stummelflossen war leicht gewölbt, und Margaret hatte Angst zu rutschen, aber nichts passierte. Gleich darauf befand sie sich im Schatten der riesigen Tragfläche hoch über ihrem Kopf. Sie hätte gern die Hand ausgestreckt und eines der riesigen Propellerblätter berührt, aber so weit reichte kein Arm. Im Rumpf, unmittelbar unter dem Wort AMERICAN der Aufschrift PAN AMERICAN AIRWAYS SYSTEM befand sich der Eingang. Margaret zog den Kopf ein und trat hindurch.
Zum Boden des Flugzeugs führten drei Stufen hinunter.
Der Raum vor Margaret war etwa dreieinhalb Meter lang und mit einem luxuriösen hellbraunen Teppichboden und beigefarbenen Wänden ausgestattet und Sesseln, deren blaue Polsterung ein hübsches Sternenmuster hatte. Vom Tageslicht abgesehen, das durch die großen rechteckigen Fenster fiel, deren Jalousien nicht heruntergezogen waren, gaben auch Deckenlampen Helligkeit. Wände und Decke waren rechtwinklig, nicht gewölbt wie der Rumpf. Es war eher, als betrete man ein Haus denn ein Flugzeug. Zwei Türen führten aus diesem Raum. Einige Passagiere wurden zur Heckseite des Flugzeugs gewiesen. Margaret blickte in diese Richtung und sah eine Reihe von Lounges, alle mit dickem Teppichboden und in hellen Braun- und Grüntönen ausgestattet. Aber die Oxenfords hatten ihre Plätze dem Bug zu. Ein kleiner, ziemlich dicker Steward in weißer Jacke stellte sich als Nicky vor und führte sie in das nächste Abteil.
Es war ein bißchen kleiner als der andere Raum und in einem etwas anderen Farbmuster ausgestattet: türkiser Teppichboden, hellgrüne Wände und beige Polsterung. Zu Margarets Rechten standen zwei große dreisitzige Sofas einander gegenüber, und dazwischen unter dem Fenster war ein kleiner Tisch. Links von ihr, auf der anderen Seite des Mittelgangs, gab es die gleiche Ausstattung, doch war das Sofa hier zweisitzig.
Nicky führte sie zu den größeren Sitzen rechts. Vater und Mutter setzten sich ans Fenster, Margaret und Percy an den Mittelgang, so
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