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Nacht über der Prärie

Nacht über der Prärie

Titel: Nacht über der Prärie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Nebenzimmer ein, ohne anzuklopfen.
    »Allmächtiger«, flüsterte Kate Carson, »er ist es! Und wie er sich herausgeputzt hat! Wie ein Spanier. Schwarze Jeans, das Hemd glänzt weiß, ein schwarzer Cowboyhut… der Bursche ist erst vor zwei Wochen aus der Untersuchungshaft entlassen worden… wo und wie er sich das Geld schon wieder organisiert hat… weiß der Teufel!« Sie versuchte zu lauschen, aber es war nichts zu hören.
    »Gehen wir hinüber, Ed?«
    »Das wäre falsch.«
    »Wollen Sie die Polizei verständigen?«
    »Wozu?«
    Kate Carson atmete tief und unruhig. Ihr ganzer Körper geriet in Bewegung. »Wir müssen den Augenblick doch nutzen, Ed. Mit ihm sprechen…«
    »Sieht er gut aus?«
    Kate Carson begriff die Ironie nicht. »Ja.«
    »Wir müssen abwarten, mit wem er sprechen will. Soll ich ihn verhaften lassen, weil er wieder heimgekommen ist?«
    »Heim! Zu dem besoffenen Vater, und im Hause nichts zu essen… Übrigens hat er nach seiner Entlassung schon wieder getrampt, und also haben Sie als Richter das Recht… oder die Pflicht…«
    »Jedenfalls nicht die Pflicht, schon im ersten Augenblick alles zu verderben.«
    »Ihre Ruhe, Ed, möchte ich auch einmal haben.«
    Der Blinde lächelte, zum erstenmal an diesem Tag. »Ich bin ein Indianer, Missis Carson.«
    Das Gespräch nebenan dauerte länger, als es zwischen Beamten und Indianern üblich war. Erst nach zehn Minuten wurde die Tür wieder geöffnet und geschlossen, genauso leise wie beim Eintreten des Besuchers. Die Schritte gingen in dem Tempo, in dem sie gekommen waren, wieder aus dem Haus hinaus. Diese Schritte hatten mit ihrer Gleichmäßigkeit und Leichtigkeit etwas durchaus Unpersönliches an sich. Ed Crazy Eagle hatte tatsächlich mehr die Vorstellung, daß sich diese Schritte selbständig bewegten, als daß hier ein Mensch ging, der hätte zögern oder sich beeilen können.
    Kate Carson konnte durch das Fenster nichts mehr beobachten, denn der Besucher hatte jetzt die andere Richtung eingeschlagen.
    Frau Kate, verwitwete Carson, öffnete die Barrierenpforte, fest entschlossen, nun zu Haverman hinüberzugehen. Da stürzte Haverman schon herein. Er hatte noch genug Fassung, um den Richter Crazy Eagle höflich zu begrüßen, dann ließ er sich auf einen Stuhl fallen und faltete die Hände vor dem Gürtel, ein Zeichen, daß er sich selbst beruhigen wollte. Sein weißes Hemd war unter dem Arm verschwitzt.
    »Frech, was?«
    »Wer?« fragte der Blinde.
    »Joe King war bei mir.«
    »Was hat er Ihnen vorgetragen?«
    Die etwas in Unordnung geratenen Gedanken und Gefühle Mr. Havermans ordneten sich im Nu zu einem amtlichen Bild. »Ein Arbeitsbeschaffungsprogramm.« Haverman netzte die Lippen mit der Zunge. »Ausgerechnet Joe King. Er kann in der Angelhakenfabrik anfangen, habe ich ihm gesagt, morgen schon, wenn er will. Aber es geht ihm nicht darum, zu arbeiten; es geht ihm nur darum, uns Scherereien zu machen. Er ist sozusagen ein professioneller Prärie-Indianer.«
    »Was hat er denn für Vorstellungen?«
    Mr. Haverman stierte den Blinden verblüfft, wenn auch keineswegs unfreundlich, an. »Ich kann es Ihnen nicht genau sagen. Ich habe sozusagen jeden Moment darauf gewartet, daß er einen Colt oder ein Messer oder einen anderen unangebrachten Gegenstand hervorholt. Er hat von Pferdezucht gesprochen, von bucking horses… Also bitte, sein Vater hat den Boden für eine Ranch, er kann ja anfangen… wenn er arbeiten will.«
    »Kaufen Sie die Zuchtpferde?«
    »Für den? Nein. Die Familie Booth haben wir unterstützt, der Erfolg ist da… nicht gerade die teuren bucking horses, aber brauchbares und verkäufliches Rindvieh, neuerdings auch schwarzes Vieh, das ist zäher. – Übrigens sollte man den Burschen einmal ins Hospital einliefern und auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen. Diese Augen! Ganz normal ist er nicht. Ihre Frau ist doch im Hospital angestellt, Mister Crazy Eagle. Kann sie nicht mit den Ärzten sprechen?«
    »Der Gesundheitsdienst arbeitet nicht mehr mit Polizeimethoden.«
    »In diesem Falle beinahe schade.«
    »Kommt Joe King noch einmal, Mister Haverman?«
    »Zu mir kaum. Aber ich habe ihm empfohlen, es mit Kaninchen zu versuchen, wenn er durchaus züchten will. Die Angelhakenfabrik wäre allerdings besser. Mitten unter anderen hat man ihn unter Kontrolle. Wenigstens tagsüber.«
    Kate Carson schaute auf die Uhr.
    »Wir müssen essen gehen, es ist schon zwölf Uhr dreißig. Kommen Sie mit, Ed?«
    »Danke.«
    Der Blinde fand mit den

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