Nachtblauer Tod
umbringen!«
»Ach, ist er auch hier, der kleine Klugscheißer? Wolltet ihr mich gemeinsam hier erwischen?«
Jetzt sprach Maik geradezu verführerisch, dann wieder triumphierend: »Ja, lock ihn nur hierher. Es ist gut, wenn überall seine Fingerabdrücke sind. Das gefällt mir sehr. Er wird der erste und einzige Verdächtige sein. Sein Vater kommt dann vermutlich frei. Das zumindest hat der kleine Irre hingekriegt, aber um welchen Preis … Er selbst wird in der Klapsmühle landen. Bestenfalls – es sei denn, er geht in den Knast. Erst hat er die eigene Mutter umgebracht und dann … dich.«
Johanna hatte sich selbst den Weg verbaut. Mit dem Rücken stieß sie gegen die Wendeltreppe.
»Warum sollte jemand glauben, dass Leon mich umgebracht hat? So blöde ist die Polizei nicht.«
Maik lachte. »Was weißt du denn schon? Alles passt zusammen. Er hat die Fotos von Elisabeth Fels gemacht und ist beim Spannen vom Dach gefallen. Das kleine Ferkelchen hat die Nacktfotos von Jessy geknipst und dich auf der Toilette und – ach …«
Er winkte mit der Linken ab.
Mit der Rechten führte er das Messer und zog die Klinge schnell an Johannas Hals vorbei. Diesmal hinterließ er einen Schnitt. Es ging so schnell, und das Messer war so scharf, dass Johanna zunächst gar keinen Schmerz spürte, aber dann lief ihr warmes Blut am Hals hinunter.
»Du bist ihm draufgekommen, hast ihn angerufen, er hat dich hierhergelockt und dann – getötet, wie seine Mutter. Das Leugnen wird ihm nichts nutzen. Nicht mal sein Vater wird ihm glauben. Nicht mal der.«
Er holte weit mit dem Messer aus. Die Klinge kam in einem Radius auf Johanna zu, den sie leicht berechnen konnte. Sie griff nach dem Gelenk der Messerhand und versuchte, Maik zu entwaffnen. Dabei spürte Johanna, dass er Gummihandschuhe trug. Das machte ihr entsetzliche Angst. Jetzt wusste sie, dass sie in eine vorbereitete Falle gelaufen war, und ja, er würde sie umbringen. Ohne jeden Zweifel hatte er genau das vor.
Sie rang mit ihm. Er war verdammt stark. Sie konnte ihm die Waffe nicht so einfach entwinden, aber sie rammte ihm das linke Knie in die Weichteile.
Er brüllte vor Schmerz auf.
Sie glaubte schon, ihn unter Kontrolle bekommen zu können. Sie setzte einen Armhebel an.
Das Messer glitt aus seiner Hand. Aber dann erwischte er mit seiner Faust ihren Kopf. Er traf ihre Schläfe. Es tat einen dumpfen Schlag. Dann explodierte etwas in ihrem Kopf, mit einem Ton, als sei es sehr weit weg.
Johanna verlor das Bewusstsein.
55
Leon hielt sein Handy in der Rechten. Genau wie Johanna hatte er es auf Vibration gestellt, aber seit gut einer Stunde hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Sie dirigierte ihn mit SMSen:
Bin ganz nah dran.
Kann nicht sprechen.
Er ist hier. Du hattest recht.
Komm in die Lagerhalle beim »Love-in«.
Hoffentlich macht sie keine Dummheiten, dachte Leon. Einerseits war er froh, hatte das Gefühl, kurz vor der Auflösung des Falles zu stehen, andererseits hatte er Angst um Johanna. Nein, er gab es vor sich selbst zu, er hatte nicht nur Angst um sie, da war noch mehr. Er sorgte sich darum, dass sie alles versauen könnte mit ihrer Art. Außerdem wollte er sich den Erfolg von ihr nicht nehmen lassen. Jetzt, da er – ohne die Hilfe der Polizei – so weit gekommen war, jetzt wollte er auch die Anerkennung dafür einheimsen.
Auf dem Parkplatz stand ein silberner Nissan. Darin fummelte ein Pärchen heftig herum. Ein paar Meter weiter parkte ein VW-Bus, der plötzlich rhythmisch zu wackeln begann.
In dem Lagerhaus war alles still.
Wo bist du? Ich stehe davor, smste Leon zurück.
Komm rein. Er ist auf dem Dach.
Leons Herz schlug bis zum Hals. Es war ein so heftiges inneres Pochen, als würde es sich auflehnen gegen sein Vorhaben. Er griff sich unwillkürlich ans Herz, aber dadurch beruhigte es sich nicht.
Er tippte in sein Handy: Ich komme.
Er schob die Tür vorsichtig auf. Er berührte sie mit beiden Händen. Es war ihm klar, dass er Fingerabdrücke hinterließ, aber es war ihm völlig gleichgültig.
Diesmal, dachte Leon, werde ich nicht an den Rosen hochklettern und im Garten landen. Diesmal bist du reif, Maik.
Er fühlte sich ein bisschen heldenhaft. Schade, dass keine Filmkamera dabei war, um alles aufzunehmen. Er fand, dass er gerade einen guten Actionhero abgab. Er stellte sich alles als Filmszene vor, das machte die Situation weniger bedrohlich, fand er. Als Kind hatte er Comics geliebt. Er wäre jetzt gerne wie eine
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