Nachtfalter
die Stunde sei gekommen, wo er mir das Geld geben müsse, das er mir so lange vorenthalten hatte. Er wollte es mir in der Villa übergeben, doch darauf ging ich nicht ein. Ich sagte ihm, wir sollten uns allein vor seinem Nachtklub treffen. Der Wichser ist in die Falle getappt. Genau wie meine Mutter. Ich wartete ab, bis ihr Mann weg war, und rief sie an. Ich sagte ihr, wer ich war und daß sie, wenn sie auch den anderen Scheck wollte, sich mit mir treffen müßte. Sie ist sofort darauf eingestiegen.« Er hält inne, und sein Gesichtsausdruck verzerrt sich wieder vor Wut. »Haben Sie begriffen?« schreit er. »Als zwölfjähriges Kind habe ich eine ganze Weltreise gemacht, um sie zu sehen, und sie hat mich davongejagt. Erst als ich ihr von dem Scheck erzählte, hat sie sich vor Wiedersehensfreude überschlagen.«
»Woher hatten Sie die Aufnahmen?«
»Die gehörten Niki. Sie hat sie gemacht, um nicht zu vergessen, wo ihr Freund begraben war.«
Sie hat sie nicht deshalb geschossen. Sie hat sie gemacht, weil sie vorhatte, sie für ihre Zwecke einzusetzen. Das ist der einzige Schwachpunkt in ihrem Plan, doch auch das hat keine Bedeutung mehr. Sehr gut möglich, daß sie behaupten wird, nicht sie hätte die Bilder Makis ausgehändigt, sondern er hätte sie von allein an sich genommen.
»Was haben Sie mit der Perücke gemacht, die Sie trugen?«
»Die muß hier irgendwo sein. Sie werden sie finden.«
»Und der Revolver?«
»Das werden Sie schon noch erfahren. Eins nach dem anderen.«
Ich würde gerne darauf beharren, ihm den Revolver abzunehmen, doch mit einem Mal schlägt mich ein anderer Gedanke in seinen Bann. Zu Unrecht war ich dem Exminister wegen Kalia auf die Pelle gerückt. Nicht er war in der Nacht ihres Todes bei ihr.
»Und Kalia? Was hatte sie Ihnen getan, daß sie sterben mußte?« frage ich.
Er kommt zur Besinnung und weicht meinem Blick aus. »Das mit Kalia tat mir leid. Es hat sie unnötigerweise erwischt«, sagt er und stöhnt auf. »Mit Kalia war ich früher befreundet gewesen. Sie hat mir das Fixen beigebracht, ich konnte endlich durchatmen, vergessen, woanders sein. Doch mein Vater kriegte es raus und setzte sie unter Druck. Er sagte ihr, er würde sie entlassen und dafür sorgen, daß sie nirgendwo mehr einen Job bekäme. Sie hat Angst bekommen und mit mir Schluß gemacht. Als ich ihm die beiden Fotografien schickte und ihn anrief, forderte mein Vater sie auf, mir zuzureden, doch sie wollte nichts davon wissen. Sie hat mich angerufen und mir davon erzählt.«
Das also hatte Koustas mit Kalia am Abend seiner Ermordung zu bequatschen. Er drohte ihr nicht mit Entlassung, das hatte er nämlich schon früher getan. Er verlangte von ihr, zwischen ihm und Makis zu vermitteln.
»Als ich sah, wie Sie ihr in der Garderobe Fragen stellten, bekam ich es mit der Angst zu tun«, fährt Makis fort. »Wissen Sie, wir Junkies haben keine großen Widerstandskräfte, und wenn Sie sie unter Druck gesetzt hätten, befürchtete ich, sie könnte reden. Ich ließ ein paar Abende vergehen und ging dann auf sie zu. Ich sagte ihr, jetzt, wo mein Vater nicht mehr zwischen uns stünde, könnten wir wieder Zusammensein. Sie freute sich. Bei unserem zweiten Treffen nahm sie mich mit nach Hause.«
Er hält inne und hebt seinen Blick zu mir. »Wissen Sie, sie liebte mich«, sagt er, als berühre es ihn seltsam, daß ihn jemand liebgewinnen konnte. »Sie hatte meine Fotografie neben dem Fernseher stehen, um mich immer im Blickfeld zu haben.« Er denkt noch einmal darüber nach. »Sie werden sagen, sie hat sie vielleicht dahin gestellt, um bei mir damit auf die Tränendrüse zu drücken. Bei Junkies weiß man nie so recht. Wir sind miteinander ins Bett gegangen, und dann habe ich unsere Dosis vorbereitet. Ihre zuerst.«
Er verstummt, und sein Blick verliert sich im Zimmer. »Sie hat nichts gemerkt. Sie ist in meinen Armen friedlich eingeschlafen«, stammelt er.
In diesem Augenblick tritt Elena Kousta ins Wohnzimmer. In der rechten Hand hält sie eine gepackte Reisetasche. Sie läßt sie neben sich auf den Boden gleiten. Sie bleibt stehen und blickt auf Makis. Ihre Augen sind tränenverschleiert.
»Makis, ich möchte, daß du weißt: Ich habe dich immer gern gehabt«, flüstert sie ihm zu. »Und was auch geschieht, ich bin an deiner Seite.«
Makis hält seinen Blick auf sie gerichtet, ohne einen Ton zu sagen. Plötzlich vollführt er eine abrupte Wendung. Er fährt mit seiner Hand in seine Sportjacke, und als er sie wieder
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