Nachtfalter
stopfen.
Als wir vor Koustas’ Villa in Glyfada ankommen, ist es bereits zehn Uhr. Ich blicke auf das finstere Bauwerk und erinnere mich an meinen ersten Besuch. Mauern, Stacheldraht, Sicherheitspersonal, Videoüberwachung – nichts konnte Koustas vor seinem Schicksal bewahren. Er hatte alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um sich vor der Mafia zu schützen, und dann haben ihn seine eigenen beiden Kinder getötet. Nun, da auch Makis das Haus verläßt, wird es die Kousta wohl verkaufen, damit der nächste Anhänger von Hochsicherheitstrakten darin sein Glück findet.
Wir läuten, und kurz darauf springt die Haustür von selbst auf. Eine der wenigen Funktionen, die noch intakt sind. Glücklicherweise ist es dunkel, und die Kousta kann nicht erkennen, in welch erbärmlichem Zustand sich der Vorgarten befindet. Makis ist über meinen Anblick erstaunt.
»Sie schon wieder?« fragt er. »Haben Sie immer noch nicht genug?«
Er trägt dieselben Kleider wie immer. Seine Sportjacke ist bis zum Hals zugeknöpft. Elena Kousta tritt als letzte ein. Er stutzt, als er sie vor sich sieht.
»Was suchst du denn hier?« blafft er sie an.
»Ich habe etwas vergessen, und der Herr Kommissar war so freundlich, mich mitzunehmen«, kontert sie schlagfertig.
Er sagt nichts, doch sein Blick bleibt auf sie geheftet, als bemühe er sich, einen Gedanken zu fassen. Dann läßt er es bleiben, dreht sich um und geht ins Wohnzimmer. Wir folgen ihm, während die Kousta ins Obergeschoß geht.
Das Wohnzimmer ist noch genauso vermüllt wie bei unserem letzten Besuch. Die Beleuchtung ist so schwach wie in einer Gefängniszelle. Er setzt sich auf das Sofa und zieht den Reißverschluß seiner Sportjacke herunter, hüllt sich jedoch weiterhin darin ein, als friere er. Ich setze mich auf den Sessel ihm gegenüber, während sich Dermitzakis an der Tür postiert.
»Rücken Sie schon raus mit der Sprache, warum sind Sie hier?« fragt er mich.
Ich will die Sache schnell zu Ende bringen. »Ich bin hier, um Sie festzunehmen«, sage ich ohne Umschweife. »Zunächst einmal wegen des Mordes an Ihrem Vater.«
»Sind Sie endlich dahintergekommen?« meint er beiläufig.
»Ja. Es hat zwar gedauert, aber ich bin dahintergekommen. Sie haben ihn zusammen mit Niki umgebracht. Sie hatte den Plan ausgeheckt, und Sie haben den Mord vollstreckt.«
»Verteilen Sie keine falschen Lorbeeren!« schreit er aufgebracht. »Ich habe ihn umgelegt. Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre er immer noch am Leben. Sein ganzes Leben lang beschimpfte er mich als Faultier, Taugenichts und Versager. Ich mußte ihn beseitigen, damit er begriff, daß ich etwas von Anfang bis Ende durchziehen kann.«
Ob Koustas das wirklich begriff, als er ihn mit dem Revolver auf sich zielen sah? »Ja, aber Niki hat Ihnen geholfen. Ihr habt es zusammen organisiert.« Er blickt mich stumm an. »Makis, Sie haben schon viel am Hals«, sage ich. »Bürden Sie sich nicht noch etwas auf, das Sie gar nicht getan haben. Reden Sie und verschaffen Sie sich eine bessere Ausgangsposition, denn Sie werden für viele Jahre hinter Gitter wandern.«
Er wiehert los vor Lachen. »Ich komme nicht ins Gefängnis, ich fahre direkt ins Paradies«, antwortet er. »Wenn man Geld hat, dann ist das Gefängnis ein Junkie-Paradies.«
Warum tut er das? Um seine Schwester zu schützen? Weil er den Erfolg einzig und allein für sich reklamieren will? Möglicherweise beides. Wenn er so weitermacht, kommt Niki ungeschoren davon.
»Warum haben Sie Ihre Mutter getötet?«
»Als ich sie besuchen und mit ihr reden wollte, hat sie mir die Tür vor der Nase zugeschlagen«, brüllt er außer sich. »Und sie hat hinter unserem Rücken mit meinem Vater paktiert. Uns hat sie sitzenlassen, weil sie es angeblich mit ihm nicht mehr aus gehalten hat, und im nächsten Augenblick macht sie Geschäfte mit ihm.«
Haß und Schmerz haben sich in ihm festgesetzt, und es hat keinen Sinn, ihn eines Besseren belehren zu wollen.
»Haben Sie den Scheck in Karamitris’ Briefkasten geworfen?«
»Ja, ich habe die Schecks zufällig in einer alten Brieftasche ganz unten im Nachttischchen meines Vaters gefunden. Dort waren auch noch andere Schecks. Ich habe die Unterschrift gelesen, und da war mir klar, von wem er war.« Er schüttelt sich vor Lachen. »Denselben Trick habe ich auch bei ihm angewendet«, sagt er ganz stolz. »Beide haben angebissen. Meinem Vater habe ich die beiden Aufnahmen geschickt und ihn angerufen. Ich habe ihm erklärt,
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