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Nachtflug

Nachtflug

Titel: Nachtflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine de Saint-Exupéry
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unversehens schichtweise, wie das Fleisch einer leuchtenden Frucht. Noch beherrschten die Sterne Buenos Aires in strahlender Vollzähligkeit, aber das war nur noch eine Oase, und auf wie lange? Ein Hafen überdies, der außer Reichweite des Flugzeugs lag. Bedrohliche Nacht, die ein verseuchter Wind anwehte und verdarb. Schwer zu bezwingende Nacht.
    Irgendwo in ihren Tiefen war ein Flugzeug in Gefahr: man bangte ohnmächtig am Ufer.
XIV
    Fabiens Frau telephonierte. 
    Immer in der Nacht, wenn sie die Rückkehr erwartete, rechnete sie den Weg von Patagonien her nach: Jetzt startet er von Trelew …‹ Schlief wieder ein. Etwas später: Jetzt muß er dicht vor San Antonio sein, er muß die Lichter sehen …‹ Dann stand sie auf, zog die Vorhänge weg und prüfte den Himmel: ›Die vielen Wolken stören ihn …‹ Manchmal wachte der Mond draußen wie ein Hirte. Dann legte die junge Frau sich wieder hin, beruhigt durch diesen silbernen Freund und diese Gestirne, diese vieltausend Wesenheiten rings um ihren Gatten. Wenn es auf ein Uhr ging, fühlte sie ihn nahe: ›Er kann nicht mehr weit sein. Er muß schon Buenos Aires sehen …‹ Dann stand sie wieder auf und bereitete ihm eine Mahlzeit, einen recht heißen Kaffee: ›Es ist so kalt da oben …‹ Sie empfing ihn immer, als käme er von einem Schneegipfel herab: »Dir ist nicht kalt? … Aber nein! … Wärm dich trotzdem ein bißchen …« Gegen Viertel nach eins war immer alles bereit. Und dann telephonierte sie.
    Auch heute, wie immer, fragte sie: 
    »Ist Fabien gelandet?«
    Der Schreiber am Hörer wurde ein wenig verlegen:
    »Wer spricht?« 
    »Simone Fabien.« 
    »Oh! einen Augenblick .« 
    Der Schreiber, der nicht den Mut hatte, etwas zu sagen, reichte den Hörer dem Bürovorsteher.
    »Wer ist da?« 
    »Simone Fabien.«
    »Oh! . Was wünschen Sie, gnädige Frau?« 
    »Ist mein Mann gelandet?« 
    Ein kurzes Schweigen, das der Fragenden unerklärlich dünken mußte, dann als Antwort ein einfaches:
    »Nein.«
    »Hat er Verspätung?« 
    »Ja …«
    Wieder Schweigen. 
    »Jawohl … Verspätung.«
    »Ah! …«
    Ein verwundeter Laut. Eine Verspätung hat nichts zu sagen … gar nichts … aber wenn sie länger dauert …
    »… Und um welche Zeit wird er hier sein?« 
    »Um welche Zeit er hier sein wird? Das … das wissen wir nicht.«
    Sie stieß gegen eine Mauer. Sie erhielt nur das Echo ihrer eigenen Fragen. 
    »Ich bitte Sie, antworten Sie mir! Wo ist er? …«
    »Wo er ist? Einen Augenblick …« 
    Dieser ungreifbare Widerstand machte sie krank. Es ging etwas vor da hinter dieser Mauer.
    Endlich entschloß man sich zur Antwort: 
    »Er ist um neunzehn Uhr dreißig von Commodoro gestartet.« 
    »Und seitdem?«
    »Seitdem? … Sehr viel Verspätung … sehr viel Verspätung durch das schlechte Wetter .«
    »Ah! … das schlechte Wetter …« 
    Was für eine Ungerechtigkeit, was für ein Hohn, dieser Mond da droben, zu nichts nütze, über Buenos Aires! Der jungen Frau fiel plötzlich ein, daß man kaum zwei Stunden brauchte von Commodoro bis Trelew. 
    »Und er fliegt seit sechs Stunden und ist noch immer nicht in Trelew! Aber er gibt Ihnen doch Nachrichten! Was sagt er denn? .« 
    »Was er sagt? Natürlich … bei so einem Wetter … Sie verstehen … da hört man natürlich nicht so gut.« 
    »So einem Wetter …!?«
    »Also, nicht wahr, gnädige Frau, wir rufen Sie an, sowie wir etwas wissen.« 
    »Ah! Sie wissen nichts? …« 
    »Auf Wiedersehen, gnädige Frau .« 
    »Nein! Nein! Ich will den Direktor sprechen!« 
    »Der Herr Direktor ist sehr beschäftigt, gnädige Frau, er ist bei einer Sitzung .« 
    »Ach, das ist mir gleich. Das ist mir ganz gleich! Ich will ihn sprechen!« 
    Der Bürovorsteher wischte sich die Stirn: 
    »Einen Augenblick …« 
    Er öffnete die Tür zu Rivieres Zimmer: 
    »Frau Fabien möchte Sie sprechen.« 
    ›Da‹, dachte Riviere. ›Da haben wir, was ich befürchtetem Die Gefühlsseite des Dramas begann sich zu zeigen. Im ersten Augenblick gedachte er sich abweisend dagegen zu verhalten: die Mütter und Frauen werden nicht in den Operationssaal zugelassen; auch auf Schiffen in Seenot müssen die Gefühle schweigen; sie helfen nicht retten. Trotzdem erwiderte er: »Schalten Sie auf mein Büro um.« Er hörte die kleine, ferne, bebende Stimme und wußte sogleich, daß er ihr nicht würde antworten können. Es war nutzlos, vollkommen nutzlos für alle beide, sich hier gegenüberzutreten.
    »Gnädige Frau,

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