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Nachtflug

Nachtflug

Titel: Nachtflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine de Saint-Exupéry
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»die lenkt man nach seinem Willen!« - Wieviel verlorene Zeit‹, dachte er. ›Es gibt etwas …
    etwas, das stärker ist als alles das. Was lebendig ist, stößt alles beiseite, um zu leben, und schaffi sich, um zu leben, seine eigenen Gesetze. Unwiderstehliche Er wußte nicht, wann und wie die Handelsluftfahrt zur Einführung der Nachtflüge übergehen würde, aber es galt diese unvermeidliche Entwicklung vorzubereiten.
    Er sieht wieder den grünen Tisch vor sich, an dem er, Kinn in der Faust, mit einem merkwürdigen Gefühl von Überlegenheit all diesen Einwänden zugehört hatte. Sie schienen ihm nichtig, im voraus verurteilt durch das Leben selber. Er fühlte eine geballte Kraft in sich: ›Meine Gründe sind stärker, ich werde siegen. Das liegt im natürlichen Verlauf der Dinge.‹ Man forderte genaue Angaben von ihm, nach welchen Grundsätzen er alle Gefahren auszuschalten gedächte. »Die Erfahrung schaffi die Grundsätze«, erwiderte er; »die Grundsätze gehen niemals der Erfahrung voraus.« 
    Es kostete ein Jahr Kämpfe, dann hatte Riviere gesiegt. Die einen sagten: »dank seinem Glauben an die Sache«, die andern: »dank seiner Zähigkeit und seinem bärenhaften Draufgängertum«; nach seiner eigenen Meinung einfach deshalb, weil er in der rechten Richtung ging.
    Aber wie behutsam die ersten Anfänge! Er ließ zunächst nur eine Stunde vor Tagesanbruch starten, nur eine Stunde nach Sonnenuntergang landen. Erst als er sich seiner Erfahrungen sicherer fühlte, wagte er es, die Flugzeuge in die Tiefen der Nacht zu schicken. Von keinem gefolgt, viel befehdet, führte er auch heute noch einen einsamen Kampf.
    Riviere läutete, um sich die letzten Meldungen geben zu lassen von den beiden Flugzeugen, die noch unterwegs sind.
XII
    Mittlerweile war der Kurier von Patagonien dicht an das Gewitter herangekommen, und Fabien gab den Gedanken auf, es zu umgehen. Es schien ihm zu ausgedehnt, denn das Flakkern der Blitze zog sich bis tief ins Land hinein und enthüllte immer neue Wolkenburgen. Er wollte versuchen, unten durchzukommen, und wenn sich das übel anließ, umkehren. 
    Er las seine Höhe ab: tausendsiebenhundert Meter. Er preßte die Handflächen gegen das Steuer, um die Zahl zu verringern. Der Motor vibrierte sehr stark, und das Flugzeug zitterte. Fabien korrigierte den Neigungswinkel nach dem Gefühl, stellte dann auf der Karte die Höhe der Bodenerhebungen fest: fünfaundert Meter. Um sich einen Spielraum zu wahren, beschloß er, bis auf siebenhundert hinunterzugehen.
    Er opferte seine Höhe, wie man ein Vermögen aufs Spiel setzt.
    Eine Bö ließ die Maschine heruntersacken, so daß sie in allen Fugen zitterte. Fabien fühlte sich wie von unsichtbarem Bergsturz bedroht. Ihm träumte, er kehrte um und fände hunderttausend Sterne wieder, aber er bog nicht um einen Grad ab.
    Fabien berechnete seine Chancen: es handelte sich vermutlich um ein örtliches Gewitter, denn Trelew, die nächste Station, meldete dreiviertel bedeckten Himmel. Es galt also, höchstens zwanzig Minuten in dieser schwarzen Masse auszuhalten. Dennoch schlug ihm das Herz. Nach links geneigt gegen die Wucht des Windes, spähte er nach den Ungewissen Scheinen, die auch in der verhülltesten Nacht noch umgehen. Aber selbst davon war nichts zu gewahren. Höchstens leise Wandlungen in der Schwärze der Schatten um ihn her oder Täuschung der ermüdeten Augen. 
    Er entfaltete einen Zettel des Funkers: »Wo sind wir?«
    Fabien hätte viel darum gegeben, wenn er es gewußt hätte. Er antwortete: »Ich weiß nicht. Wir durchqueren ein Gewitter nach dem Kompaß.«
    Er neigte sich noch weiter zur Seite. Die Flamme des Auspuffs störte ihn, die wie ein Feuerstrauß am Motor hing, so bleich, daß Mondschein sie ausgelöscht hätte, aber in diesem Nichts so stark, daß sie alles Sichtbare verschlang. Er schaute sie an. Sie war vom Winde zusammengesträhnt wie die Flamme einer Fackel.
    Alle dreißig Sekunden tauchte Fabien den Kopf zum Instrumentenbrett hinunter, um nach dem künstlichen Horizont und dem Kompaß zu spähen. Er wagte nicht mehr, die schwachen roten Lampen anzudrehen, die ihn jedesmal auf lange Zeit blendeten; nur die Leuchtziffern warfen ihren blassen Sternenschein. Hier, inmitten von Zeigern und Ziffern, empfand er eine trügerische Sicherheit, wie in der Kabine eines Schiffes, an der die Flut vorbeiströmt. So strömte die Nacht und alles, was sie an Klippen und Höhen und treibenden Fährnissen in sich barg, gegen das Flugzeug an,

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