Nachtgefluester 01 - Der gefaehrliche Verehrer
Minuten.«
»Erzählen Sie mir etwas von Cillas Exmann.«
»Paul?« Überraschung lag in ihren Augen, in ihrer Stimme. »Warum? Sie glauben doch nicht, dass er was damit zu tun hat?«
»Ich überprüfe alle Möglichkeiten. Die Scheidung … war sie freundschaftlich?«
»Gibt es das überhaupt?«
Sie ist jung, dachte Boyd, aber klug. »Sagen Sie es mir doch.«
»Nun, in diesem Fall würde ich sagen, sie war so freundschaftlich, wie es geht. Ich war erst zwölf, und Cilla hat darüber nie offen gesprochen, aber ich hatte den Eindruck, dass er die Scheidung wollte.«
Boyd lehnte sich gegen die Theke. »Warum?«
Unbehaglich bewegte Deborah ihre Schultern. »Er hatte sich in eine andere verliebt.« Sie stieß den Atem aus und betete, dass Cilla dies hier nicht als Verrat ansehen würde. »Sie hatten eindeutig schon Probleme, als ich zu ihnen kam, um bei ihnen zu leben. Das war gleich, nachdem unsere Eltern starben. Cilla war erst ein paar Monate verheiratet, aber … nun ja, sagen wir mal, die Flitterwochen waren vorbei. Sie war dabei, sich in Atlanta einen Namen zu machen, und Paul – er war sehr konservativ, ein richtig steifer Knochen. Er wollte Abgeordneter werden, und Cillas Image passte nicht dazu.«
»Hört sich für mich an, als wäre es genau andersherum gewesen.«
Sie lächelte und schenkte ihm Kaffee nach. »Ich weiß noch, wie hart sie gearbeitet hat, um ihren Job zusammenzuhalten, um alles zusammenzuhalten. Es war eine ziemlich schlimme Zeit für uns. Es machte nichts besser, als die Verantwortung für eine Zwölfjährige plötzlich für die beiden dazukam. Die zusätzliche Belastung … nun ja, man könnte sagen, sie hat das Unvermeidliche beschleunigt. Zwei Monate nach meinem Einzug zog er aus und reichte die Scheidung ein. Cilla hat sich nicht gewehrt.«
Boyd versuchte sich vorzustellen, wie das gewesen sein musste. Mit zwanzig hatte Cilla ihre Eltern verloren, die Fürsorge und Verantwortung für ein Mädchen übernommen und zugesehen, wie ihre Ehe in die Brüche ging. »Klingt für mich, als könne sie froh sein, den Kerl losgeworden zu sein.«
»Ich mochte ihn nie besonders. Er war harmlos und langweilig.«
»Warum hat sie ihn dann geheiratet?«
»Ich würde es für angebrachter halten, das mich zu fragen«, sagte Cilla von der Tür her.
4. K APITEL
Sie hatte was mit ihren Haaren gemacht, nämlich sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Dadurch blieb ihr Gesicht frei, sodass der Zorn in ihren Augen umso leichter zu erkennen war. Zu dem Shirt, in dem sie geschlafen hatte, trug sie jetzt eine gelbe Jogginghose. Die Hände hatte sie tief in die Taschen gestopft, während sie so dastand und all ihren Ärger auf Boyd richtete.
»Cilla.« Genau wissend, wann es Zeit zum Streiten und wann zum Besänftigen war, trat Deborah vor. »Wir haben bloß …«
»Ja, ich habe gehört, was ihr bloß habt.« Sie lenkte ihren Blick zu Deborah. Die Schärfe ihres Zorns milderte sich. »Mach dir keine Gedanken. Es war nicht deine Schuld.«
»Es geht nicht um Schuld«, murmelte Deborah. »Wir machen uns Sorgen, was mit dir geschieht.«
»Nichts wird mit mir geschehen. Du solltest jetzt besser losgehen, sonst kommst du zu spät. Und es sieht ganz so aus, als hätten Detective Fletcher und ich etwas auszudiskutieren.«
Deborah hob die Hände und ließ sie wieder fallen, warf Boyd einen mitfühlenden Blick zu und küsste ihre Schwester auf die Wange. »In Ordnung. Um diese Uhrzeit würdest du ohnedies nicht auf Vernunft hören.«
»Besteh mit Auszeichnung«, sagte Cilla nur.
»Das habe ich vor. Ich zieh mir mit Josh einen Hamburger und einen Film rein, aber ich bin wieder da, bevor du heimkommst.«
»Mach dir einen schönen Tag.« Cilla wartete, ohne sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen, bis sie hörte, wie sich die Haustür schloss. »Sie haben vielleicht Nerven, Fletcher.«
Er drehte sich bloß um und nahm eine weitere Tasse von einem Haken hinter dem Herd. »Möchten Sie Kaffee?«
»Ich mag es nicht, dass Sie meine Schwester ausquetschen.«
Er füllte die Tasse und stellte sie ab. »Ich habe meine Daumenschrauben in dem anderen Anzug vergessen.«
»Eines wollen wir doch klarstellen.« Sie ging auf ihn zu und behielt bewusst die Hände in den Taschen, weil sie sicher war, ihn zu schlagen, falls sie sie herauszog. »Wenn Sie irgendwelche Fragen über mich haben, dann kommen Sie damit zu mir. Deborah hat mit überhaupt nichts etwas zu tun.«
»Sie ist wesentlich entgegenkommender als ihre
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