Nachtgefluester 01 - Der gefaehrliche Verehrer
ein, ohne auf eine Antwort zu warten.
Sie saß mitten auf dem Bett, die Knie an die Brust gezogen, den Kopf auf die Knie gestützt. Laken und Decken waren durcheinander und zeugten von wenigen Stunden unruhigen Schlafs.
Hier gab es nichts Feminines – keine Verzierungen aus Spitze, keine weichen Pastellfarben. Cilla bevorzugte klare Linien, Einfachheit. Als Gegensatz war die Farbenwahl aufrüttelnd und alles andere als beruhigend. Inmitten all dieser leuchtenden Schattierungen von Blau und Grün wirkte sie umso verletzlicher.
Sie blickte nicht auf, bevor er sich auf die Bettkante setzte und ihr Haar berührte. Langsam hob sie den Kopf. Er sah keine Tränen. Anstelle der erwarteten Angst fand er eine unerträgliche Erschöpfung vor, die sogar noch beunruhigender war.
»Er hat angerufen«, murmelte sie.
»Ich weiß. Ich war am Nebenapparat.«
»Dann haben Sie es gehört.« Sie blickte weg, zum Fenster, wo sie sehen konnte, wie die Sonne sich bemühte, eine tief hängende Wolkenbank wegzubrennen. »Er war das gestern Abend draußen auf der Straße. Er sagte, er hätte mich gesehen … uns. Bei ihm hat es so widerlich geklungen.«
»Cilla …«
»Er hat mich beobachtet!« Sie spuckte die Worte aus. »Nichts, was ich sage, nichts, was ich tue, hält ihn auf. Und wenn er mich erwischt, macht er alles, was er angekündigt hat.«
»Er wird Sie nicht erwischen.«
»Wie lange?« fragte sie. Ihre Finger verkrampften sich in das Laken, ihr Blick brannte sich in seine Augen. »Wie lange können Sie auf mich aufpassen? Er braucht nur zu warten. Er wird abwarten und anrufen und beobachten.« Etwas in ihr brach entzwei, und sie packte das Telefon neben dem Bett und schleuderte es quer durch den Raum. Es prallte gegen die Wand und polterte klingelnd zu Boden. »Sie werden ihn nicht aufhalten. Sie haben ihn gehört. Er hat gesagt, dass ihn nichts aufhalten wird.«
»Genau das will er.« Boyd packte sie an den Armen und rüttelte sie einmal kurz. »Er will, dass Sie die Nerven verlieren. Er will das Bewusstsein, Sie dazu gebracht zu haben, die Nerven zu verlieren. Wenn Sie das wirklich tun, helfen Sie ihm nur.«
»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, brachte sie hervor. »Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll.«
»Sie müssen mir vertrauen. Sehen Sie mich an, Cilla.« Ihr Atem ging stoßweise, aber sie blickte ihm in die Augen. »Ich will, dass Sie mir vertrauen«, sagte er ruhig. »Und dass Sie mir glauben, wenn ich sage, dass ich nicht zulassen werde, dass Ihnen etwas passiert.«
»Sie können nicht immer da sein.«
Auf seinen Lippen zeichnete sich ein kleines Lächeln ab. Er lockerte seinen Griff und rieb mit den Händen an Cillas Armen auf und ab. »Sicher kann ich das.«
»Ich will …« Sie presste die Augen fest zu. Wie sie es hasste zu bitten. Wie sie es hasste, etwas zu brauchen.
»Was?«
Ihre Lippen bebten, während sie um ein letztes Stück ihrer Selbstbeherrschung kämpfte. »Ich muss mich jetzt irgendwo festhalten.« Sie atmete unregelmäßig aus. »Bitte.«
Wortlos zog er sie eng an sich und drückte ihren Kopf an seine Schulter. Ihre zu Fäusten geballten Hände presste sie auf seinen Rücken. Sie zitterte und kämpfte gegen einen heftigen Ausbruch von Tränen an.
»Gönnen Sie sich eine Pause, O’Roarke«, murmelte er. »Lassen Sie sich gehen.«
»Ich kann nicht.« Sie hielt die Augen geschlossen und klammerte sich an ihn. Er war fest, warm, stark. Zuverlässig. »Ich habe Angst, dass ich nicht mehr aufhören kann, wenn ich erst mal angefangen habe.«
»Okay, dann versuchen wir das.« Er hob ihren Kopf an und berührte sanft ihre Lippen mit seinen. »Denken Sie an mich. Jetzt.« Sein Mund berührte erneut den ihren. »Und hier.« Leicht und geduldig streichelte er ihren steifen Rücken. »Nur an mich.«
Sie spürte sein Mitgefühl. Sie hätte nicht gedacht, dass sie es im Kuss eines Mannes finden könnte. Mehr als sanft, mehr als zärtlich beschwichtigte der Kuss ihre verschlissenen Nerven, beruhigte ihre eisigen Ängste, kühlte die heiße Verzweiflung. Ihre verkrampften Hände entspannten sich, Muskel um Muskel. Es gab keine Forderungen, als er mit den Lippen über ihr Gesicht strich. Nur Verständnis.
Es wäre einfach, seinem Wunsch zu folgen. Sie dachte ohnehin nur an ihn.
Zögernd hob Cilla ihre Hand an sein Gesicht und ließ die Finger über seine von Bartstoppeln raue Wange streichen. Ihr Magen entkrampfte sich. Das Hämmern in ihrem Kopf ließ nach. Sie hauchte seinen Namen in
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