Nachtgefluester 01 - Der gefaehrliche Verehrer
nächsten Schritt, als die Lichter ausgingen.
Lautlos fluchend bewegte er sich schnell voran. Obwohl er seine Waffe aus Sicherheitsgründen nach oben gerichtet hielt, war er bereit, sie zu gebrauchen. Über seinem Kopf pulsierte weiterhin die leidenschaftliche Musik. Vor sich sah er das schwache Schimmern der Lichter aus der Sendekabine. Sie ist dort, sagte er sich. Bei diesen Lichtern in Sicherheit. Den Rücken gegen die Wand gedrückt, ließ er seinen Blick durch den dunklen Korridor hin und her schweifen und bewegte sich in Cillas Richtung.
Als er um die letzte Ecke des Korridors vor der Kabine kam, hörte er etwas hinter sich. Er sah die Tür zum Abstellraum aufschwingen und wirbelte herum.
Das Messer sah er nicht.
»Das waren Joan Jett und die Blackhearts für Sie. Es ist zehn vor Mitternacht, und in Denver sind es angenehme acht Grad.« Cilla blickte stirnrunzelnd auf die Uhr und fragte sich, wieso Boyd so lange brauchte. »Eine kleine Erinnerung daran, dass Sie KHIPs ›Wilden Bob‹ morgen im Brown Palace Hotel in der 17th Street erleben können. Hey, wenn Sie noch nie da waren, das ist schon ein toller Schuppen. Es gibt noch Eintrittskarten für das Bankett zugunsten misshandelter Kinder. Macht eure Brieftaschen auf. Zwanzig Dollar für eine einzelne Person, vierzig, wenn Sie Ihre Süße oder Ihren Süßen mitbringen. Die Feier geht um sieben Uhr los, und der ›Wilde Bob‹ bringt für Sie die Platten in Schwung.« Sie legte den nächsten Song auf.
»Und jetzt begleiten wir Sie mit zwei Songs bis Mitternacht. Hier ist Cilla O’Roarke. Wir haben noch die Nachrichten, und dann kommt das Hörerwunschtelefon.«
Sie schaltete ihr Mikro aus, zuckte die Schultern, um sie zu lockern, und nahm die Kopfhörer ab. Sie summte vor sich hin, während sie den Laufplan des Programmdirektors überflog. Werbung vom Band kam als Nächstes, danach die Nachrichten zur vollen Stunde. Sie stieß sich von dem Mischpult ab, um sich auf den nächsten Abschnitt vorzubereiten.
In diesem Moment sah sie, dass der Korridor hinter der Glastür dunkel war. Zuerst starrte sie nur verblüfft hinaus. Dann schoss ihr das Blut in den Kopf. Wenn die Sicherheitsbeleuchtung ausgefallen war, funktionierte der Alarm wahrscheinlich auch nicht.
Er war hier. Schweiß lief ihr kalt über die Stirn, als sie die Rückenlehne ihres Stuhls umkrallte. Heute Nacht würde es keinen Anruf geben, weil er hier war. Er kam zu ihr.
Ein Schrei stieg in ihrer Kehle hoch und erstickte in einer Flut von Panik.
Boyd. Er war auch wegen Boyd gekommen.
Von neuem Entsetzen vorangetrieben, preschte sie zur Tür.
»Boyd!« schrie sie und stolperte in der Dunkelheit. Sie erstarrte, als sie den Schatten auf sich zukommen sah. Obwohl es nur eine formlose Gestalt auf dem dunklen Korridor war, wusste sie Bescheid. Hinter sich tastend, wich sie zurück. »Wo ist Boyd? Was haben Sie mit ihm gemacht?« Sie tat noch einen Schritt rückwärts. Licht aus der Sendekabine fiel durch das Glas und durchschnitt die Dunkelheit. Sie setzte erneut zum Sprechen an, zum Betteln, als sie vor Erleichterung fast ohnmächtig wurde.
»O Gott, Sie sind das. Ich wusste nicht, dass Sie noch hier sind. Ich dachte, alle wären schon gegangen.«
»Alle sind gegangen«, antwortete er. Er trat voll ins Licht. Und lächelte. Cillas Erleichterung gefror. Er hielt ein Messer, ein Jagdmesser, dessen lange Klinge bereits blutbefleckt war.
»Boyd«, sagte sie.
»Er kann dir jetzt nicht helfen. Niemand kann das. Wir sind ganz allein. Ich habe so lange darauf gewartet, dass wir beide ganz allein sind.«
»Warum?« Sie war jetzt jenseits von Angst. Es war Boyds Blut auf der Klinge, und ihr Schmerz ließ keinen Platz für Angst. »Warum, Billy?«
»Du hast meinen Bruder getötet.«
»Nein. Nein, das habe ich nicht getan.« Sie wich zurück in die Kabine. Heiße Hysterie brodelte in ihrer Kehle. Eisige Kälte überzog ihre Haut. »Ich habe John nicht getötet. Ich habe ihn kaum gekannt.«
»Er hat dich geliebt.« Der Wartungsmann hinkte näher, das Messer vor sich haltend, die Augen auf sie gerichtet. Seine Füße waren nackt. Er trug nur eine Tarnhose und eine schwarze Strumpfmütze, die er tief über seine grau werdenden Haare in die Stirn gezogen hatte. Obwohl er sein Gesicht sowie Brust und Arme schwarz beschmiert hatte, konnte sie die Tätowierung über seinem Herzen sehen. Den Zwilling zu der Tätowierung, die sie bei John McGillis gesehen hatte.
»Du wolltest ihn heiraten. Er hat es mir
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