Nachtgefluester 01 - Der gefaehrliche Verehrer
auf und ab ging.
Es war so still hier. So still, dass man das Quietschen von Kreppsohlen auf dem Fliesenboden oder das Summen der Aufzugtüren hörte. Doch in ihrem Kopf hörte sie auch noch immer das Chaos aus Sirenen, Stimmen, dem Knacken und Quäken der Funkgeräte in den Streifenwagen, die auf dem Parkplatz vor dem Eingang gestanden hatten.
Die Sanitäter waren gekommen. Hände hatten sie von Boyd weggezogen, hatten sie aus der Sendekabine und hinaus in die kühle, frische Nacht gezerrt.
Mark, erinnerte sie sich. Es war Mark gewesen, der sie zurückhielt, als sie die ganze Skala von Hysterie bis Schock durchlief. Jackson war da gewesen, fest wie ein Felsen, hatte ihr eine Tasse mit einer heißen Flüssigkeit in die Hand gedrückt. Und Nick, kreidebleich, beruhigende Worte und Entschuldigungen murmelnd.
Fremde waren da gewesen, Dutzende von Fremden, die über ihre Radios die Konfrontation mitverfolgt hatten. Sie waren immer mehr geworden, bis die uniformierten Polizisten Sperren errichteten.
Dann war Deborah da gewesen, war weinend über den Parkplatz gelaufen, hatte Cops, Reporter und Gaffer beiseitegeschoben, um zu ihrer Schwester zu kommen. Schockiert hatte sie entdeckt, dass Cilla nicht nur mit fremdem, sondern auch mit eigenem Blut beschmiert war.
Jetzt blickte Cilla dumpf auf ihre bandagierte Hand. Sie hatte nicht gefühlt, wie das Messer während der wenigen hektischen Sekunden ihres Kampfes mit Billy in ihre Hand geschnitten hatte. Der Kratzer an ihrer Kehle, wo die Klinge sie geschnitten hatte, war schmerzhafter. Oberflächliche Wunden, dachte sie. Das waren nur oberflächliche Wunden verglichen mit dem tiefen Riss in ihrem Herzen.
Sie sah noch immer Boyd vor sich, wie er zum Krankenwagen hinausgefahren wurde. Für einen schrecklichen Moment hatte sie gefürchtet, er wäre tot. So weiß, so still.
Aber er lebte. Althea hatte es ihr gesagt. Er hatte eine Menge Blut verloren, aber er lebte.
Jetzt war er im Operationssaal, kämpfte um sein Leben. Und sie konnte nur warten.
Althea sah ihr zu, wie sie auf und ab lief. Sie selbst saß lieber, um ihre Kräfte wieder zu sammeln. Sie hatte ihre eigenen Bilder, mit denen sie fertig werden musste. Der Stich, als Cillas Stimme in die Musik einbrach. Die darauffolgende rasende Jagd vom Revier zum Sender. Der Anblick ihres Partners, der auf dem Boden kniete und darum kämpfte, seine Waffe zu halten. Er hatte einen Moment vor ihr geschossen.
Sie war zu spät gekommen. Damit würde sie leben müssen.
Jetzt lag ihr Partner, ihr guter Freund, auf einem Operationstisch. Und sie konnte nur warten.
Deborah stand auf, ging zu ihrer Schwester und legte einen Arm um sie. Cilla blieb lange genug stehen, um aus dem Fenster zu starren.
»Warum legst du dich nicht hin?« schlug Deborah vor.
»Nein, ich kann nicht.«
»Du brauchst nicht zu schlafen. Du könntest dich einfach auf der Couch da drüben ausstrecken.«
Cilla schüttelte den Kopf. »Ich muss an so viele Dinge denken, weißt du? Wie er einfach dasaß und grinste, wenn er mich wütend gemacht hatte. Wie er sich mit einem Buch in eine Ecke der Sendekabine setzte. Die ruhige Art, in der er mich herumkommandiert hat. Ich habe mich die meiste Zeit bemüht, ihn wegzuschieben, aber ich habe nicht fest genug geschoben. Und jetzt ist er …«
»Du kannst dir daran nicht die Schuld geben.«
»Ich weiß nicht, wem ich die Schuld geben soll.« Sie blickte zur Uhr. Wie konnten die Minuten so langsam verstreichen? »Ich kann jetzt gar nicht darüber nachdenken. Das ist auch bei Weitem nicht so wichtig wie die Folgen.«
»Er würde bestimmt nicht wollen, dass du dir selbst die Schuld gibst, Cilla.«
Sie lächelte beinahe. »Ich habe es mir nicht gerade zur Gewohnheit gemacht zu tun, was er wollte. Er hat mir das Leben gerettet, Deb. Wie könnte ich es ertragen, wenn der Preis dafür sein Leben wäre?«
Deborah schien ihr keinen Trost bieten zu können. »Wenn du dich schon nicht hinlegen willst, wie wäre es dann mit Kaffee?«
»Gern, danke.«
Deborah ging zu einer Kanne mit einem schalen Kaffeerest auf einer Warmhalteplatte. Als Althea zu ihr stieß, schenkte sie eine zweite Tasse ein.
»Wie hält sie durch?« fragte Althea.
»An einem dünnen Faden.« Deborah rieb sich die brennenden Augen. »Sie gibt sich die Schuld.« Sie betrachtete Althea, als sie ihr den Kaffee reichte. »Geben Sie ihr auch die Schuld?«
Althea zögerte und hob zuerst die Tasse an ihre Lippen. Sie sah hinüber zu der Frau am Fenster. Sie
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