Nachtgefluester 01 - Der gefaehrliche Verehrer
wahrscheinlich auch nicht verstanden. Er war jung. Er hat sich vorgestellt, ich wäre etwas, das ich nicht war, Billy. Es tut mir leid, schrecklich leid, aber ich bin an seinem Tod nicht schuld.«
»Du hast ihn umgebracht.« Er strich mit der flachen Seite der Klinge über ihre Wange. »Und du wirst dafür bezahlen.«
»Ich kann Sie nicht aufhalten. Ich werde es nicht einmal versuchen. Aber bitte, sagen Sie mir, was Sie mit Boyd getan haben.«
»Ich habe ihn getötet.« Er lächelte, ein sanftes, verlorenes Lächeln, das nicht zu seinen Waffen passte.
»Ich glaube Ihnen nicht.«
»Er ist tot.« Noch immer lächelnd, hielt er das Messer zum Licht hoch. »Es war leicht. Leichter, als ich in Erinnerung hatte. Ich habe es schnell gemacht«, versicherte er ihr. »Ich wollte ihn töten, aber es ging mir nicht darum, dass er leidet. Nicht so wie bei dir. Du wirst leiden. Ich habe es dir gesagt, erinnerst du dich? Ich habe dir gesagt, was ich mit dir machen werde.«
»Wenn Sie Boyd getötet haben«, flüsterte sie, »dann haben Sie mich schon getötet.«
»Ich will, dass du bettelst.« Er drückte das Messer wieder an ihre Kehle. »Ich will, dass du bettelst, wie John gebettelt hat.«
»Es ist mir egal, was Sie mit mir machen.« Sie konnte das Messer an ihrer Haut nicht fühlen. Sie konnte gar nichts fühlen. Aus weiter Ferne kam das Heulen von Sirenen. Cilla hörte sie ohne Gefühl, ohne Hoffnung. Sie kamen, aber sie kamen zu spät. Sie blickte in Billys Augen. Und sie erkannte, dass sie diese Art von Schmerz verstand. Diesen Schmerz, wenn einem der Mensch genommen wurde, der einem am meisten bedeutete.
»Es tut mir leid«, sagte sie, auf den Tod vorbereitet. »Ich habe ihn nicht geliebt.«
Vor Wut aufschreiend, versetzte er ihr mit dem Messergriff einen betäubenden Schlag gegen die Schläfe. Er hatte wochenlang geplant und gewartet. Er würde sie nicht schnell und gnädig töten. Kam nicht infrage. Er wollte sie auf Knien sehen, wie sie um ihr Leben weinte und schrie.
Der explodierende Schmerz ließ sie zu Boden sinken. Sie hätte ihr Gesicht mit den Händen bedecken und weinen können. Nicht um sich selbst, sondern um Boyd.
Sie wandten sich beide um, als Boyd in die Tür taumelte.
Sekunden. Es dauerte nur einen Bruchteil von Sekunden. Ihr Blick klärte sich, ihr Herz barst fast. Am Leben! Er war am Leben!
Ihr erleichtertes Aufschluchzen verwandelte sich in einen Entsetzensschrei, als Billy die Pistole hob. Im nächsten Moment war sie auf den Beinen und rang mit ihm. Platten krachten auf den Boden, wurden unter den Füßen zertreten, als sie gegen ein Regal prallten. Sein Blick brannte sich in ihre Augen. Jetzt flehte sie. Sie flehte sogar, während sie mit ihm kämpfte.
Boyd fiel auf die Knie. Die Waffe rutschte ihm fast aus den nassen Fingern. Durch einen hellen roten Nebel konnte er die beiden sehen. Er wollte Cilla etwas zurufen, aber er konnte seine Stimme nicht durch seine Kehle zwingen. Er konnte nur beten, während er sich an sein Bewusstsein und die Waffe klammerte. Er sah das Messer hochsausen und zum Zustechen ansetzen. Er schoss.
Cilla hörte weder das Bersten von Glas noch das Fußgetrappel. Sie hörte nicht einmal den Knall, als die Kugel traf. Aber sie fühlte den Ruck in Billys Körper, als das Messer aus seiner Hand flog. Er rutschte aus ihrem Griff und krachte gegen das Mischpult.
Mit wilden Augen wirbelte sie herum. Sie sah Boyd auf den Knien schwanken, die Waffe mit beiden Händen haltend. Hinter ihm war Althea, ihre Waffe noch auf die Gestalt gerichtet, die auf dem Boden ausgestreckt lag. Mit einem erstickten Aufschrei stürzte Cilla sich auf Boyd, als er hinfiel.
»Nein.« Sie weinte, während sie die Haare aus seinem Gesicht strich, während sie mit einer Hand an seiner Seite hinunterfuhr und das Blut fühlte. »Bitte, nein.« Sie bedeckte seinen Körper mit ihrem.
»Sie müssen ihn ruhig liegen lassen und Platz machen.« Althea drängte ihre Panik zurück, während sie Cilla beiseiteschob.
»Er blutet!«
»Ich weiß.« Und er blutet verdammt stark, dachte sie. »Ein Krankenwagen ist unterwegs.«
Cilla riss sich die Bluse vom Leib, um einen Druckverband zu machen. Sie kniete neben Boyd und beugte sich über ihn. »Ich lasse ihn nicht sterben.«
Altheas Blick trafen ihren. »Dann sind wir schon zwei«, sagte die junge Polizistin.
11. K APITEL
Es hatte ein Meer von Gesichtern gegeben. Sie schienen in Cillas Kopf herumzuschwimmen, während sie in dem Warteraum des Krankenhauses
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