Nachtgespenster
des Blutes«, flüsterte ich. »Er läßt sich nicht rückgängig machen. Sie wird immer ein Vollmond-Monster bleiben. Glaube es mir, Janine, ich kenne mich da aus.«
Doreen wollte Blut. Sie wollte uns. Sie trug kein helles Kleid, wie man es aus den Filmen kennt. Sie sah aus wie eine normale junge Frau, aber ich brauchte nur in ihr Gesicht zu sehen, um zu erkennen, daß sie davon weit entfernt war. Da war der Mund weit aufgerissen. Sie präsentierte ihre beiden Vampirzähne wie jemand, der stolz darauf ist, sie zu haben.
Ich starrte sie an.
Mein Blick kümmerte sie nicht. Auch nicht meine Bitte, zu stoppen.
Ich wich aus, als sie nach mir faßte. Mit unsicherem Schritt ging sie an mir vorbei auf Janine Helder zu, in deren Adern ebenfalls Blut floß.
Nein, ich konnte es nicht übers Herz bringen, die Waffe gegen ihren Kopf zu drücken und zu schießen. Ich mußte es mit dem Kreuz versuchen. Bevor ich es aufhob, brachte ich Janine in Sicherheit. Aus der unmittelbaren Nähe der Blutsaugerin brachte ich die Frau weg und schob sie auf die Tür zu.
»Ich will nicht weg, John.«
»Das brauchst du auch nicht. Aber hier bist du sicherer.«
Sie nickte mir zu und war einverstanden.
Ich hörte etwas über den Boden kratzen. Das Geräusch war mir nicht unbekannt. Und es alarmierte meine Sinne. Dicht vor Janine Helder fuhr ich herum.
Wie hätte es auch anders sein sollen. Doreen hatte sich gebückt und das Beil aufgehoben. Als mein Blick sie erwischte, war sie dabei, den rechten Arm anzuheben. Irgend etwas in ihrem Gehirn mußte ihr den Befehl gegeben haben. Möglicherweise eine letzte, menschliche Reaktion, beseelt von dem Willen zu töten.
Ich ließ sie noch ausholen. Und dann schoß ich.
Eine Kugel reichte aus. Das geweihte Silbergeschoß schmetterte in ihren Leib. Sie kam nicht mehr dazu, die Waffe zu werfen. Kraft gab es nicht mehr in ihr. Der Griff löste sich aus ihrer Hand, dann rutschte das Beil nach unten und streifte mit seiner Kante die rechte Seite ihres Kopfs.
Dabei verletzte die Schneide das Ohr, schnitt tief ein und landete auf dem Boden.
Neben der Waffe brach Doreen La Monte in die Knie. Sie fiel noch nicht um. Aus der Wunde dicht am Herzen sickerte Blut. Sie hatte den Kopf angehoben, um mich anzustarren. Ihr Blick kam mir so schrecklich vorwurfsvoll vor. Ich würde ihn nie vergessen.
Wenig später hatte ihr Körper alle Kraft verloren. Er fiel nach vorn und blieb auf dem Bauch liegen.
Es war vorbei.
Auch für mich. Aber die Erinnerungen hingen mir stark nach, und ich fühlte mich sauschlecht. Manchmal war mein Job wirklich zum Kotzen…
***
Ich hatte das Kreuz mitgenommen, stand draußen und blickte zum dunklen Himmel. Hinter mir öffnete sich die Tür. Leise näherte sich meine Lebensretterin. Janine Helder wußte, wie es in mir aussah.
Sie sprach nicht. Sie stand einfach nur da wie jemand, der darauf wartete, Hilfe geben zu können.
»Danke«, sagte ich schließlich.
»Wofür?«
»Dafür, daß du mein Leben gerettet hast.«
»Unsinn, vergiß es. Möchtest du bleiben oder sollen wir zu mir fahren, John?«
»Fahren«, erwiderte ich mit leiser Stimme. »Ich denke, daß ich jetzt eine Weile brauche, um Doreen La Monte zu vergessen. Ich hätte sie so gern gerettet, aber…«
»Laß es gut sein, John. Wir sind alle nur Menschen.«
Stumm gingen wir zum Auto. Hinter uns blieb eine Burg zurück, in der es keine Nachtgespenster mehr gab…
ENDE
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