Nachtjäger
diesen Mann schon lange im Visier und ich fragte mich, ob ich ihn trinken , oder auf den einen, den wirklichen Augenblick warten sollte. Meine Geduld zahlte sich aus. Häuser brannten, während die Bomben der Nazis wie Regentropfen fielen. Der Straßenbelag wurde weich und Flammen züngelten, wohin man blickte. Menschen rannten als lebende Fackeln durch die Straßen und überall brachen Gebäude zusammen. Inmitten dieser wohltuenden Hölle war Maurice, im Anzug, mit einem Aktenkoffer, in dem Wertpapiere waren, ab sofort wertloses Papier, die er genauso gut hätte in die Flammen werfen können. Er war mit den Nerven völlig runter, vielleicht deshalb, weil er unverletzt war und erleben musste, zu was die Menschen in der Lage sind. Sein Verstand war, wie der so vieler Londoner, kurz vor dem Verglühen, als ich mich um ihn kümmerte.«
Lilous Gesicht zuckte.
Frederic legte Ludwig beruhigend eine Hand auf die Schulter, während Caroline den Arm der Voodoopriesterin streichelte.
Daargon fuhr fort.
»Da ihr dieses Video seht, ist mein Plan aufgegangen. Mir ist unbegreiflich, dass ihr, obwohl ich euch die Unsterblichkeit schenkte, noch immer Jagd auf mich macht. So viele Jahrzehnte sind vergangen und ihr habt euch einen schlechten Ruf erarbeitet. Es wäre mir ein Leichtes gewesen, eure wahre Existenz zu verraten. Ihr wäret schnell gestorben, denn man hätte euch gejagt und sich an euch gerächt. Doch ich bin ein geduldiger Mann. Ich ahnte, dass ich meine alte Kraft wieder erlangen würde. Und nun ist es so weit. Nun werde ich mir das ganz persönliche Vergnügen leisten, euch noch ein letztes Mal zu begegnen. Der Frau, die mich köpfen wollte, die Priesterin, die mich mit einem Fluch belegte, den Mann, der auf mich schoss und nicht zuletzt den Bruder, der seine eigene Rasse verleugnet, wofür er den Tod verdient hat. Du, Frederic Densmore, solltest dir bewusst sein, dass du nur deshalb hundertdreißig Jahre überlebtest, weil ich es so wollte. Noch etwas, das du mir schuldig bist. Nur wegen mir durftest du mit deiner geliebten Frau Caroline leben. Nur deshalb hattest du das Geschenk der Freundschaft zu Maurices Eltern. Und nun fordere ich diese Schuld ein. Abgesehen davon hast du mich damals im Club reingelegt. Sogar ein Vampir wie ich wäre niemals auf den Gedanken gekommen, es sei dir gelungen, ein … Weib! in den Club zu schmuggeln.«
Der Vampir machte eine Pause. Seine Augen glühten rot und um seine Lippen spielte ein feines Lächeln.
»Ich habe weltweit eine Truppe um mich gesammelt. Es sind die Besten der Besten. Vampire. Killer und Lenker, Denker und Magier. Mit ihnen werde ich innerhalb einer Woche die Börse stürzen und New York einnehmen. Ihr wisst ja, wie die maßlos von sich eingenommenen Amis es sehen: Hast du New York, gehört dir die Welt. God save America! Nicht die Welt soll er segnen – warum auch? Die Welt interessiert nicht. Die Welt sind die USA und das Zentrum ist New York. Und mein Schiff ist voll von Spezialisten aller Couleur, die eben diese Arroganz ausnutzen werden, um eine Basis für weltumspannende Aktionen zu legen. Wir werden in New York auf euch Vier warten. Wir treffen uns in der Lagerhalle der Brookman-Company . Ihr werdet sie schnell finden, denn sie befindet sich am Hafen, ist etwas abgelegen und ideal für das, was wir gemeinsam tun werden.«
Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen.
»Ich ahne, dass euch die Neugier fast umbringt. Ihr fragt euch, was ich mit euch vorhabe, nicht wahr? Und ihr, Ludwig und DeSoussa, fragt euch, ob Maurice ein Vampir ist oder ob ich ihn die Unsterblichkeit schenkte. Fragen über Fragen. Die Antworten gibt es nächsten Samstag in der Lagerhalle. Bei Sonnenuntergang.«
Das Bild verschwand und Frederic schaltete den DVD-Player aus.
»Was macht ihn so sicher, dass wir kommen?«, fragte Caroline nach einer Weile.
Ludwig blickte sie an. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wirkte er gealtert. Der Kummer hatte Furchen in sein Gesicht gegraben. »Was würdest du tun, wenn es dein Sohn wäre?«
Sie alle kannten die Antwort, dennoch sagte Frederic mit harter Stimme: »Morgos Daargon hat mit seinen Vampiren etwas vor. Eine große Sache. Ich nehme den Mächtigen sehr ernst. Er wird sich nicht die Mühe gemacht haben, die, wie er sagt, Besten der Besten zu sammeln, wenn er mit ihnen ein Kaffeekränzchen vorhat. Auch wenn sich unsere Gedanken um Maurice drehen, sollten wir unsere Aufgabe nicht aus den Augen verlieren. Es gab einen Tag, an dem wir uns
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