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Nachtklinge: Roman (German Edition)

Nachtklinge: Roman (German Edition)

Titel: Nachtklinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Courtenay Grimwood
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aufblickte und seinen Wachtmeister sah, der nicht an der Mahlzeit teilgenommen hatte, da …« Die Anwesenden hielten sein Schweigen für nachdenkliche Stille, aber Tycho wusste nicht recht, wie er das, was er zu sagen hatte, in Worte fassen sollte. »Ich habe einfach
gespürt,
dass etwas nicht stimmt.«
    »Und wie genau hast du das gespürt?«
    »Dogaressa, verzeiht, ich
wusste
es einfach.«
    »Dieses Wissen war für dich ein Beweis, dass Graf Roderigo mit der Sache zu tun hatte?«
    »Nein, Dogaressa, ich habe nur gedacht …«
    Tycho bemerkte, wie Alexa zu einem kleinen, untersetzten Mann am Ende der Stuhlreihe blickte. Der Mann schüttelte den Kopf. Unauffällig gekleidet und von etwas schäbigem Äußeren war Dr. Crow der berühmteste Alchemist der Serenissima. Er hatte Tycho bereits befragt, wie er wissen konnte, dass der Tod gekommen war. Anscheinend glaubte er ihm; es interessierte ihn nur, was Tycho genau gesehen hatte.
    Ich wusste es einfach,
hatte ihn womöglich enttäuscht.
    »Was die Gefahr anging, hattest du recht«, sagte Alexa. »Es trifft jedoch nicht zu, dass Graf Roderigo Bescheid gewusst hat. Der Regent hat mir mitgeteilt, er selbst habe den Wachtmeister zu Graf Roderigo geschickt. Er sollte ihm ausrichten, dass keine Krankheitsfälle auftraten und die Quarantäne daher nicht verlängert werden musste. Graf Roderigo hatte die Tür zum Hof verschlossen, weil die Klosterordnung es so verlangt.«
    »Dogaressa …«
    »Es handelt sich hier um eine Verschwörung der Republikaner, die entsprechenden Verhaftungen sind bereits angeordnet. Venedig hat genügend äußere Feinde und duldet keine Verräter innerhalb seiner Stadtgrenzen. Graf Roderigo ist ein treuer Diener des Thrones und absolut unschuldig.«
    »Ja, Dogaressa, Ihr habt vollkommen recht.«
    Alexa schien auf etwas zu warten, aber es dauerte einen Augenblick, bis Tycho ein Licht aufging. Natürlich war sie zu feinfühlig, um ein Wort darüber zu verlieren. Er wandte sich an den Hauptmann der Zollbehörde und entschuldigte sich bei ihm.
    Roderigo beschränkte sich auf ein unwirsches Knurren.
    »Kommen wir zum nächsten Punkt«, sagte Alexa leichthin. »Welcher Adelige wurde zuletzt hingerichtet?«
    »Tomas Felezzo, Dogaressa, vor ungefähr einer Stunde.«
    »Sein gesamter Besitz gehört ab jetzt Herrn Tycho, als Dank und Anerkennung für seine Verdienste im Kampf. Die Einrichtung des Hauses fällt an die Stadt. Lasst das Gebäude räumen. Ich nehme an, es gibt inzwischen keine Familienangehörigen mehr, die sich dieser Anordnung widersetzen könnten?«
    »Die gesamte Familie wurde hingerichtet.«
    »Republikaner?«
    »Alle miteinander. Von der übelsten Sorte.«
    Damit waren kluge Republikaner gemeint. Oder einflussreiche.

4
    Tirol
    D as Wolfsrudel jagte über die hochalpine Wiese und ließ eine Spur von wippendem Hochgras hinter sich. Die Tiere bewegten sich so leichtfüßig, dass sich die blauen Blüten, die ihre Pfoten niedergedrückt hatten, unversehrt wieder aufrichteten. Von oben gesehen, etwa aus der Perspektive eines Falken, liefen die Graupelze in Pfeilformation. Ein Dutzend Wölfe rannte dem Leitwolf hinterher, der voranstürmte, als wolle er seine Gefährten zu einer Verfolgungsjagd auffordern.
    Plötzlich kreiste über ihnen tatsächlich ein Falke.
    Hoch oben am Himmel über Tirol glitt er nachdenklich durch die Luft, dann schwang er sich höher und verschwand über einen Pass. Der Falke war müde und erschöpft. Aber er hatte seine Aufgabe erledigt, und man würde ihn wohlwollend empfangen.
    »Meister Kaspar …«
    »Ich sehe ihn, Majestät.«
    Der Falkner war zugleich der Hofmagier von Kaiser Sigismund. Er kam aus dem hohen Norden des kaiserlichen Reiches und hatte die typischen breiten Wangenknochen und die blasse Haut der dortigen Bewohner. Er hob rasch den Arm, und der erschöpfte Falke bohrte seine Klauen tief in den Lederhandschuh. Der Falkner neigte seinen Kopf, bis er den des Falken berührte.
    Hunger, Müdigkeit. Eine wölfische Pfeilspitze, die wie Rauch durch wogendes Gras fließt.
    »Wir haben sie, Majestät. Sie sind im nächsten Tal.«
    Sigismund, der sich selbst Kaiser des Heiligen Römischen Reiches nannte, für seine Feinde indessen nur Kaiser der Deutschen war, starrte zu der Passhöhe hinauf. In diesen Bergen war er schon als Kind auf die Jagd gegangen und kannte sich aus. »Folgt mir«, befahl er.
     
    Das Wolfsrudel hatte den Tag mit der Jagd auf einen Hirsch begonnen, ihn zur Strecke gebracht und in Stücke

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