Nachtkrieger: Ewige Begierde
von vorn, sondern von hinten kam.
Die beiden.
Er stieß einen Fluch aus, der durch den Wald hallte, und drehte sich um. »Das ist die falsche Richtung, Pilger.«
»Für uns ist es die richtige, Mylord«, rief das Mädchen ihm zu, während die beiden ihm ohne Sattel auf dem Rücken der kleinen Stute entgegenholperten.
Diese Richtung würden sie wohl allein einschlagen müssen. Steinarr folgte einer spontanen Eingebung und dirigierte seine Pferde abseits der Straße in den Wald hinein.
»Da siehst du es«, hörte er den Jungen hinter sich sagen. »Wir sind ihm lästig.«
»Es interessiert mich nicht, was ihm lästig ist. Reit ihm hinterher!« Sie fügte etwas hinzu, das Steinarr nicht genau verstehen konnte, und die beiden folgten ihm auf der kleinen Stute, die seinen Pferden tapfer hinterhertrottete.
Verdammt.
Vielleicht hätte es sich doch gelohnt, den Gaul zum Verkauf anzubieten – und wenn er ihn mitgenommen hätte, könnten die beiden jetzt nicht hinter ihm herreiten. Um sie abzuschütteln, trieb er die Pferde schneller durch das Unterholz. Doch seine Tiere wurden gebremst durch herabhängende Zweige, während die Stute dank seiner Vorarbeit gut vorwärtskam. Entschlossen, die beiden loszuwerden, ritt Steinarr tiefer in den Wald hinein, dorthin, wo die Bäume am dichtesten standen und sie sich darum herumschlängeln mussten, auf einem Weg, der gewunden war wie das Gehörn eines Schafbocks. Aber die beiden hingen an ihm wie die Kletten.
»Störrisches Gesindel«, murmelte Steinarr vor sich hin. Sie hatten ja nicht die leiseste Ahnung, wen –
was
– sie da vor sich hatten, geschweige denn, welche Schwierigkeiten sie bei Sonnenuntergang erwarteten, wenn sie ihm auf den Fersen blieben. Kurzerhand riss er sein Pferd herum und zog sein Kurzschwert. »Wenn ihr nicht umkehrt, schlitze ich eurem Gaul die Kehle auf.«
Der Junge zügelte die Stute, brachte sie zum Stehen und ließ sie einige Schritte rückwärtsgehen. »Tut mir leid, Mylord, aber meine Schwester …«
»Deine Schwester?«, fiel Steinarr ihm ins Wort. »Ich dachte, sie sei deine Cousine.«
»Ich
bin
seine Cousine«, sagte das Mädchen hastig. »Er wollte sagen, seine Schwester sei sehr krank. Ihretwegen haben wir uns ja auf diese Pilgerreise gemacht. Er fürchtet, wenn wir uns zurück- statt vorwärtsbewegen, kommen unsere Gebete zu spät.«
»Das fürchtet er also?« Steinarr ritt näher an die beiden heran und sah das Mädchen lange an, bevor er seinen Blick stirnrunzelnd auf den Jungen richtete. »Fürchtest du auch, den Mund aufzumachen, oder warum überlässt du das Reden grundsätzlich deiner
Cousine?
«
Der Junge errötete und hob mit einer hilflosen Geste die Arme. »Sie übernimmt das Reden ja ohnehin, ganz gleich, ob ich etwas sage oder nicht, Mylord.«
Gegen seinen Willen musste Steinarr sich das Lachen verkneifen. »Allerdings. Sicher hat sie dich auch dazu überredet, hinter mir herzureiten.«
»Aye, Mylord, das hat sie.«
»Dann ist es ziemlich töricht von euch beiden, euch auf Gedeih und Verderb einem Fremden auszuliefern, und das auch noch mitten in einem dichten Wald und auf einem Pferd, das jeden Moment zusammenbrechen kann.«
»Die Stute ist kräftiger, als sie aussieht«, sagte das Mädchen. »Mylord«, fügte sie hinzu, als sei es ihr zuvor entfallen. »Sie wird uns noch ein Weilchen tragen, vorausgesetzt Ihr haltet Eure Klinge von ihrem Hals fern.«
Steinarr schwang besagte Klinge, die ein paar Lichtstrahlen einfing und sie um den Kopf des Mädchens tanzen ließ. »Vielleicht sollte ich mich damit eher deiner Zunge widmen.«
»Vielleicht, Mylord. Aber das werdet Ihr nicht.«
Nicht einmal jetzt zeigte sie eine Spur von Angst.
Steinarr runzelte abermals die Stirn. »Dafür, dass du nicht einmal meinen Namen kennst, klingst du ziemlich sicher.«
»Ich habe gesehen, dass Ihr Euch die Zeit nahmt, einen alten Mann zu begraben, den Ihr überhaupt nicht kanntet. Das reicht mir. Euren Namen werde ich schon noch erfahren, wenn wir gemeinsam weiterreiten.«
Die Furchen auf Steinarrs Stirn vertieften sich. »Wir werden nicht gemeinsam weiterreiten.«
»Aber Ihr habt die Richtung eingeschlagen, in die auch wir wollten.« Sie nahm sich einen Moment Zeit, um sich genau umzusehen. Dann zog sie die Augenbrauen zusammen. »Jedenfalls hattet Ihr das. Mittlerweile bin ich mir da nicht mehr so sicher …«
»Und trotzdem folgt ihr mir wie ein paar junge Hunde.«
»Aber doch nur, weil Ihr uns keine andere Möglichkeit lasst.
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