Nachtkrieger
in Worte fassen könnte. Das musst du doch wissen.«
»Aus welchem Grund dann?«
»Ich kann es dir nicht sagen.«
»Ihr könnt oder Ihr wollt nicht?«
»Sowohl als auch«, gab Ivo in barschem Ton zurück, bevor er sich zurückhalten konnte. »Am besten sage ich es dir gleich: Ich werde jeden Morgen so früh ausreiten. Jeden Tag.«
So, nun war es heraus. Nicht unbedingt geschliffen formuliert, aber es war endlich ausgesprochen.
Schockiert starrte sie ihn mit offenem Mund an, als hätte er sie geohrfeigt.
»Jeden einzelnen Tag, ganz gleich, ob die Sonne scheint, ob es stürmt oder schneit! Und immer aus demselben Grund, der nichts – rein gar nichts – mit dir oder damit zu tun hat, ob du mir Vergnügen bereitest oder nicht. Ich kann nicht anders. Ich habe keine andere Wahl.«
»Aber warum denn?«, schrie sie ihn beinahe an.
»Weil es so sein muss. Frag mich nicht danach, Frau! Denn eine andere Antwort kann ich dir nicht geben.«
»Das ist …«, begann sie. Doch als Ivo ein paar Schritte auf sie zuging und sie drohend ansah, verstummte sie und drehte sich um zu ihrem Stickrahmen.
»Weil es so sein muss. Weil es so sein muss«, äffte sie ihn nach. Dann griff sie nach der Sticknadel und rammte sie in das eingespannte Tuch.
»Coillons!«
Einen Fluch, den Brand mit Begeisterung benutzte, aus dem Mund einer Lady zu hören – selbst, wenn es seine temperamentvolle Frau war, die ihn darüber hinaus auf Französisch aussprach – gab Ivo den Rest. Er brach in Gelächter aus. Als Alaida sich streitlustig zu ihm umdrehte, musste er nur noch mehr lachen. »Ich wusste ja, du würdest eine schlechte Nonne abgeben! Es sei denn, alle Nonnen fluchen wie Seeleute.«
Sie gab ein Prusten von sich, ob vor Empörung oder weil auch sie lachen musste, war nicht zu unterscheiden. Aber wie auch immer, sie beruhigte sich allmählich. Sie drückte den Zeigefinger an die Stirn, als hätte sie Kopfschmerzen. »Genau das ist es, was ich meine, My Lord. Da verkündet Ihr, Ihr werdet nur bei Nacht mein Ehemann sein. Dann macht Ihr Euch über mich lustig und erwartet auch noch, dass ich ebenfalls darüber lache.«
»Was du ja auch beinahe getan hättest«, sagte Ivo und erntete damit den Anflug eines Lächelns, gefolgt von einem Stirnrunzeln, so ernst, dass man Milch damit hätte sauer werden lassen können. Also probierte er es mit einer anderen Strategie. »Viele Ehemänner sind nur des Nachts zu Hause, und viele Frauen sind froh darüber.«
»Viele Frauen sind froh darüber, gar keinen Ehemann zu haben«, konterte Alaida und stieß einen Seufzer aus, der beinahe klang, als wäre sie selbst gern eine dieser Frauen. Dann jedoch sagte sie und klang resigniert: »Ich werde nichts daran ändern, oder, My Lord?«
»Nein.«
»Und vermutlich werde ich Euch jeden Morgen ergeben zum Abschied winken müssen.«
»Ich bezweifle, dass du jemals etwas ergeben tun wirst«, sagte Ivo. Sie warf ihm einen finsteren Blick zu, und sogleich hob er beschwichtigend die Hände, um sie nicht erneut in Rage zu bringen. »Ich muss noch vor Tagesanbruch fort, Alaida. Ich erwarte nicht, dass du dann schon wach bist.«
»Vor Tagesanbruch«, sagte sie fassungslos. »Jeden Morgen?«
»Ja. Aber ich werde jeden Abend zurückkehren. Und ich versichere dir, dass ich das wesentlich lieber tue, als aufzubrechen.«
»Das lässt sich leicht sagen.«
»Ich schwöre es dir.« Er ging einen Schritt auf sie zu. Als er sah, dass sie nicht zurückwich, kam er noch ein Stück näher und nahm ihre Hand. »Ich möchte dich nicht allein lassen, mein Herzblatt, aber es lässt sich nicht ändern. Mehr kann ich dir nicht sagen. Du musst mir vertrauen!«
»Ich soll Euch vertrauen?«, fragte sie mit bitterem Unterton. »Ich kenne Euch ja kaum, My Lord. Für mich seid Ihr ein Fremder, trotz allem, was in der vergangenen Nacht geschehen ist. Ich habe mehr Worte mit Eurem Seneschall gewechselt als mit Euch.«
»Das wird sich ändern«, beteuerte er und verdrängte einen Anflug von Eifersucht – auf Ari, der hatte sehen dürfen, wie die Sonne ihr ins Gesicht schien, was ihm, Ivo, nie zuteil werden würde. »Nach einigen Tagen und Wochen wirst du mich besser kennen. Wenn man jemanden kennt, fällt es leichter, ihm zu vertrauen.«
»Und bis dahin?«
»Bis dahin kann ich dir nur dieses eine versichern.« Bevor sie sich dagegen wehren konnte, zog er sie an sich und küsste sie, bis sie wie zuvor den Atem anhielt und sich an ihn schmiegte. Als er sich von ihr löste, schien
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