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Nachts kommen die Fuechse

Nachts kommen die Fuechse

Titel: Nachts kommen die Fuechse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cees Nooteboom
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auch, wer falsch spielte. Die Neun unter derManschette. Die rasche Handbewegung. Möchtest du es jetzt noch wissen? Aber du wußtest es längst. Das jüdische Wunderkind, mit seinen flinken Fingern. Eine Goldmünze, ein silberner Bleistift, jedesmal von seiner Freundin zurückgebracht? Das eine Mal, als wir den niederländischen Konsul oder so ähnlich am Tisch hatten, Freund von Wintrop. Nein, es macht mir nichts aus, daß ich verloren habe, nur dieser goldene Bleistift von meinem Vater, ich verstehe nicht, wo ich ihn gelassen habe. Am nächsten Tag hatte er ihn zurück. Die Freundin des Wunderkinds. Vierzigmal als Kind bei kalvinistischen Bauern versteckt gewesen, überall untragbar, trotzdem überlebt. Mußte stehlen, mußte falsch spielen, späte Rache, von allen mit dem Mantel der Liebe zugedeckt. Und wenn er die Bank hatte und schwer dagegengesetzt wurde, während er auf Chocolat hoffte, immer diese grämliche Frage: Hast du eigentlich so viel, oder muß ich lange drauf warten? Ja, ich hatte genug mit euch zu tun, aber niemand hat mich je gefragt, was ich tagsüber machte. Tagsüber mußte ich mich von euch erholen. Ärztin, Krankenschwester, Hure, Priesterin, Psychiaterin. Und gelegentlich ein Foto, wegen der Knete. Und mein Chor. Und ansonsten ihr, ihr und ihr. Das Wunder war, daß jeder es für sich behielt. Wer mich nach den anderen fragte, verschwand in meinem Hades, ansteckend, unberührbar. Das weißt du nicht, weil du mich nie gefragt hast. Gilles, der nichtwußte, daß ich mit Dodo schlief. André, der künftige Tote, der Ollie in jeder Gracht versenkt hätte, um in meiner Nähe sterben zu dürfen. Nigel, der ewige Rechner, in dessen Kopf jetzt vor lauter Alzheimer alles drunter und drüber geht. Tico, amuseur général du peuple , der einzige, mit dem man auch im Bett lachen konnte. Wie viele Männer kennst du, die ihren Steifen herausputzen wie eine islamische Braut? Eine Rolle Verbandsmull und ein bißchen Lippenstift, und Fatima tanzte durch die Hügel und Täler der Bettlaken. Wird das alles nicht unbeschreiblich dürftig, jetzt, wo es vorbei ist? Hätte ich mich für ein würdigeres Leben entscheiden sollen? NEIN. Etwas mehr in Richtung der Bachkantaten, die ich in der lutherischen Kirche am Spui sang und die sich keiner von euch je angehört hat? NEIN. Hätte ich mich in deinen Abgrund wagen sollen, um zuzusehen, wie du versuchst, mich kaputtzumachen? NEIN. Ich bin dir zuvorgekommen. Du wolltest einmal am Tag nicht mehr leben, ich bin jetzt deinen ganzen Tag lang tot, und du lebst. Das wäre dir mit mir nicht gelungen. Aber vielleicht täusche ich mich? Warst du meine Herausforderung? Nicht angenehm, das zu sagen. Ich habe heute den ganzen Tag –? Es gibt keinen Tag. Ich habe heute. Wahnsinn. Man würde meinen, als Toter hätte man mehr Macht. Müßte sich nicht mehr mit altem Brot, mit defekten Instrumenten, untergegangenen Begriffen behelfen. MeineLichter gehen wieder aus. Ich sage solchen Unsinn nur, um in deiner Nähe zu bleiben. Ich muß das hier beenden, aber ich komme nirgends an. Den ganzen, nicht existierenden Tag lang habe ich dir heute zugeschaut, so richtig? Deinem äußerst langsamen Leben. Wie du auf den Polder hinausblickst. Purgatorio hast du gelesen, aber ich konnte nicht sehen, was du dachtest. Danach hast du eine Stunde lang völlig still dagesessen. Du hast mein Foto aufgestellt. Ich sah dieses Foto und hatte Sehnsucht nach meinem Körper, wieder einmal. Ihr habt ihn alle gehabt, so daß es schien, als gehörte er nie mir. Ich will ihn nicht zurück, die Erinnerung ist für euch vielleicht schlimmer als für mich. Ich sah dir zu und fand dein Leben unerträglicher als mein fehlendes. Komm hierher, wollte ich sagen, aber ich weiß nicht, wo hier ist, und wo es auch sein mag, da ist sonst niemand. Das ist es also, niemand sonst. Du kommst auch irgendwann dahinter. Eines muß ich dir noch erzählen. Ich war betäubt, nicht verbrannt. In dieser kurzen Sekunde, nennen wir es eben so, konnte ich mir noch zusehen. Arturo, so hieß er. Arturo hatte, als er keine Luft mehr bekam, nach der Fernsehantenne gegriffen. Das gab es früher in Hotels, eine doppelte Nickelantenne, eine Art elektronisches Geweih. In seiner Atemnot hatte er sie so krampfhaft gepackt, daß er den Fernseher vom Tisch riß und mitsamt dem Apparat auf dem Boden landete. Weißt du, daßman sogar in einem solchen Augenblick registriert, wie aberwitzig das ist? Ein schwerer, starker Mann, der mit einem Fernseher in

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