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Nachts kommen die Fuechse

Nachts kommen die Fuechse

Titel: Nachts kommen die Fuechse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cees Nooteboom
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den Armen neben dir auf dem Boden liegt. Das ist das letzte, was ich gesehen habe. Danach begann das andere Sehen. Ich schlief, damit hatte es Ähnlichkeit. Großer Friede, du mußt mir das glauben, vielleicht hilft es, wenn es bei dir soweit ist. Aber mein Haar. Über mein Haar hatte ich nie besonders viel nachgedacht. Es muß das Flüchtigste an mir gewesen sein. Ich sah es genauer, als ich es je gesehen hatte, und plötzlich wurde ich von einer solchen Liebe zu mir erfaßt, als hätte ich nie zuvor die Zeit gehabt, mich mit derjenigen zu beschäftigen, die ich gewesen war. Ich hatte mich vermißt, die ganzen Jahre über, in diesem allerletzten Moment entdeckte ich mich. Was mir davon noch in Erinnerung ist, ist ein Gefühl wahnwitziger Liebe. Kannst du das verstehen? Plötzlich begriff ich, wer da tot war. Ich war diejenige, die da lag, das blöde Licht vom Fernseher war noch immer an und schien auf mein Haar. Es war kurzgeschnitten, wie auf dem Foto, aber es glänzte, es hatte einen seidigen Glanz. Ich hätte es gern gestreichelt.

    Noch einmal, das letzte Mal. Als würde ich fortwehen und aus immer größerer Entfernung wieder zurückkehren. Du bist der einzige, der mich wirklich gerufen hat. Die anderen haben an mich gedacht, manchmal,aber niemand konnte mich finden, ihr Kummer, falls es das war, hatte zu wenig Energie, die Entfernung ist zu groß. Noch eins. Arturo, der fiel so weit aus eurem Rahmen. Und, da hast du’s wieder. Nicht aus meinem. Er rührte mich. Als ich das Kasino verließ, war ich für euch schon zu einer anderen geworden. Alles war falsch an ihm, außer seiner Kraft. Ich sah es, als wir gingen, Dodos Entsetzen, Gilles’ Ungläubigkeit, auch die des Barons. Die Begehrlichkeit des Schriftstellers. Eine Geschichte, eine Geschichte, der Roman eines Chamäleons. Nun, diese Geschichte ist gekommen, aber er wird sie nie schreiben. Während ich für euch innerhalb einer Sekunde zu einer anderen geworden war, blieb ich dieselbe. Vielleicht warst du der einzige, der das verstand. Früher einmal Fingernägel in deiner Hand, bei Antonioni. Damals ein Nagel an deinem Hals. Abschied, der wirkliche, der letzte. Du hast dein Fenster geöffnet. Windstoß. Das war ich. Rascheln, Flüstern. Das Geräusch von Füchsen, eine Nacht in der Wüste. Gedachte Füchse. Keine echten. Alles sehr flüchtig. Wie wir. Weg.

Der entfernteste Punkt

    D as gehört sich nicht für Frauen, hatte mein Vater gesagt. Männer gehen zum entferntesten Punkt, Frauen nie. Aber ich wollte mich nicht fügen. Auf Inseln gibt es viele entfernteste Punkte, mehr als auf dem Festland. Mein liebster entferntester Punkt hier ist Punta Nati, vor allem bei schlechtem Wetter. Wenn die Tramontana die Bäume vor dem Haus tief hinunterduckt, weiß ich, ich muß los. Ich ziehe meine Regensachen an und gehe aus der Stadt. Sie ist nicht groß, man ist schon bald zwischen den Gebäuden im Industriegebiet. Dort sehe ich Männer mit Gabelstaplern, sie setzen Kisten und Kasten um, wenn die Fahrzeuge rückwärts rollen, geben sie in ständiger Wiederholung ein hohes, eintöniges Geräusch von sich. Es ist, als hätten sie Schmerzen, dürften das aber nicht sagen. Ich höre es noch, als ich auf die Schnellstraße komme, die nach Norden führt. Jetzt wird der Wind richtig stark, ich muß den Kopf gesenkt halten, als wäre ich eine Bedienstete. Er fegt mir durch die Haare, wollte ich ihm ins Gesicht sehen, wären meine Augen voller Tränen. Zu beiden Seiten der Straße stehen Mauern, errichtet aus den Steinen, die überall herumliegen. Der Rest der Insel ist grün, nur diese Ecke ist ausgetrocknet. Bäumewachsen hier nicht. Die wenigen Sträucher sind dürr und hart, der Wind hat ihre bizarren Formen südwärts getrieben. Für die paar Schafe, die zwischen den Felsen herumlaufen, ist fast nichts zu finden. Ich muß zwei Stunden gehen, das weiß ich, aber ich achte nie auf die Zeit. Warum willst du das bloß, hat mein Vater immer gefragt. Jetzt ist er tot. Ich hätte es ihm gern erzählt, aber ich konnte nicht. Erst wenn ich dort stehe, weiß ich es wieder, aber hinterher kann ich es trotzdem nicht sagen. Überall Stein. Gewitterwolken, zwischen ihnen Lichtflecke, dann leuchtet die steinige Landschaft in einer seltsamen Glut auf. Totes Gold. Um all diese Steine loszuwerden, haben die Bauern früher runde Gebilde daraus gebaut, die von keinerlei Nutzen sind. Ich stelle mir vor, daß Menschen darin wohnen, die anders sind als wir, aber ich weiß, daß das nicht

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