Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachts kommen die Fuechse

Nachts kommen die Fuechse

Titel: Nachts kommen die Fuechse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cees Nooteboom
Vom Netzwerk:
Notizbücher, die er immer dabeihatte. P. gefräßig. I. W. und Don Anselmo ihre geborenen Opfer . Niederländische Wörter in griechischen Buchstaben, ein kindischer Gymnasiastencode, aber zufällig konnte ich ihn entziffern. Im übrigen steht es in einem seiner Bücher: Dieb statt Freund, Dieb statt Geliebter , irgend so etwas, ein ganzes Programm. Er hing immer bei uns herum, wollte und mußte unbedingt auch mal mit mir ins Bett. Wintrop fand das nicht schlimm, der mußte immer über ihn lachen, weil er alles und jeden nachmachen konnte. Nichteinmal das Buch hat er ihm übelgenommen. Aus dem hat er mich zum Glück herausgelassen. Er sagte, du seist ein Mystiker. Hüte dich vor ihm, er ist der König der Negation, das authentische schwarze Loch, wer damit zu tun hat, wird darin verschwinden . Ich habe vorhin gesagt, daß ich dich gehen lassen mußte, aber war es wirklich so? Du wirst mir nie glauben, wenn ich sage, daß ich vielleicht Angst hatte. Bereue ich das jetzt? In einen Abgrund geblickt und mich nicht getraut zu haben? Zu feige, zu schwach? Als ich noch lebte, hatte ich mir vorgenommen, niemals etwas bereuen zu wollen. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, aber das liegt wohl daran, daß es zu spät ist. Zu spät, wieder so etwas. Während ich das sage, weiß ich, daß es Unsinn ist. Zu spät, bereuen, selbst du, der du noch lebst, benutzt diese Begriffe nicht mehr. Was ich suche, ist Erinnerung, aber was ich bekomme, ist Buchhaltung. So kann es nicht gemeint sein. Es hängt noch zuviel an mir, ich muß noch mehr loswerden. Streichen.

    Luft, ich brauche Luft. Merkwürdig, ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Ich verspreche, daß ich wiederkomme, aber jetzt ist es so, als würde ich langsam verlöschen. Ich bin schon fast nicht mehr da, habe aber noch so viel zu sagen. Ist das möglich, eine Tote, die so müde ist, daß sie glaubt, sie wird gleich sterben? Die sich auflöst, verblaßt, verschwindet?Geist, auch das Wort hat mir immer so gut gefallen. Ist es das, was ich jetzt bin, ein Geist? Ein Schemen, ebenfalls so ein schönes Wort. Körperliche Liebe, Ekstase, das ist hier unaussprechlich. Ein Glas, das dadurch zerbricht, daß man es anschaut. Die Dinge, die ich nicht mehr weiß, die ich noch weiß. Dieses Lied von Strauss, das letzte, glaube ich, von den Letzten Liedern, die eine Zeile: Ist dies etwa der Tod? Um genau diese Frage geht es. Grenzgebiet, Niemandsland. Aber Strauss lebte noch, als er sie stellte: Ist dies etwa der Tod? Etwa, ein vager Ausdruck von unglaublicher Präzision. Ruhen. Ein Toter kann nicht ruhen, und so allein ich auch bin, ich muß noch alleiner werden. Hörst du meine Stimme noch? Siehst du mich noch, das Foto, den Polder? Was hast du gesagt, Regen drinnen, Regen draußen? Regen! Ich erinnere mich noch an den Moment, als das Foto aufgenommen wurde. Nacht mit Nigel, ja, der auch, selbst wenn du das nicht gedacht hättest. Nigel Algebra, dieser kalte Frosch. Aber trotzdem, Nacht. Rufen und Flüstern, Schweiß, Liebe, Schmerz, und danach zu Dodo flüchten, Balsam, gesunden. Und Alkohol, und Koks, und am nächsten Morgen der Fotograf, das Fenster, der Regen, das, worauf du jetzt noch blickst. Mit Liebe? Und ich mit Bestürzung. Vogue . Das war ich doch. Was für eine verrückte Verbform, war. Ich komme wieder, aber willst du sie wirklich hören, meine armseligen Geheimnisse?All die Männer, sie wollen sich hineinarbeiten, als wollten sie andersherum geboren werden. Sie liegen auf einem, und alles, was so ein Körper ausdrückt, ist eine krampfhafte Form von Willen, Möse, Möse, sie müssen irgendwohin und werden immer wieder vertrieben, das ist es doch. Sie sind so verschieden, und sie sind so gleich, gräßlich, und nein, nicht gräßlich. Es scheint so viel, das Leben, und doch weiß man erst hinterher, wie fadenscheinig es ist. Spinnwebe. Aber auch wie heilig, ich meine, Gott nein, wenn jemand jemals so etwas gesagt hätte, ich hätte ihm sofort das Wort abgeschnitten. Hau-hau. Darauf ist doch alles ausgerichtet, das Sakrale abzuschneiden, oder? Das Sakrale, hear me. Na schön, versuch’s doch mal selbst, tot zu sein. Wieviel Zeit, sorry, habe ich für diesen Abschied?

    Schlafen. Du hast geschlafen. Das kann ich nicht mehr. Wie ich es statt dessen nennen soll, weiß ich nicht. Ich kann nur noch in schiefen Vergleichen sprechen. In manchen Hotels gibt es das, Lichter, die ganz langsam verlöschen. So ähnlich war es. Ohne zu warten, habe ich gewartet, bis sie wieder

Weitere Kostenlose Bücher