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Nachts kommen die Fuechse

Nachts kommen die Fuechse

Titel: Nachts kommen die Fuechse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cees Nooteboom
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Hör auf, sagte der Baron. Das hätte er besser nicht tun sollen. Du sahst ihn an, wie nur du jemanden ansehen konntest, und nahmst einen Schluck von deinem Champagner. Wir schätzten den Stapel mit unseren Blicken. Mindestens zehn Mille. Paula, verdammt noch mal. Wir müssen noch essen. Der Mann neben dir gefiel uns nicht. Noch nie gesehen, jemand mit einer Tätowierung auf den Händen. Miniaturen. Am ehesten erinnerten sie an die Runen, die man Stieren einbrennt. Er sagte etwas zu dir, du lachtest. Als würdest du ihn schon seit Jahren kennen. Ein Akzent. Spanisch oder italienisch. Du winktest dem Croupier, beschriebst mit dem Finger einen kleinen Kreis um den vor dir liegenden Stapel und zeigtest auf die 23,meine Zahl, die gerade gekommen war. Er harkte deine Jetons zu sich heran, zählte sie rasend schnell, wie nur Croupiers das können (als würde er in Scheiße rühren, sagte der Schriftsteller später), wechselte sie in größere Jetons um und hielt einen in die Höhe, um zu sehen, ob sie es so gemeint hatte. Der Jeton war goldfarben. Jeder schaute jetzt. Du nicktest. Er schob ihn dir hin, und weil der Gesamtbetrag größer war als dieser eine goldene Jeton, wollte er auch die anderen, niedrigeren Jetons mit dieser obszönen, flinken Bewegung über den Tisch schieben, die leugnet, daß es Geld ist, was da liegt. Aber es ist Geld. Ich hörte, wie Tico leise fluchte, als du dem Croupier mit einer Kopfbewegung zu verstehen gabst, er könne es behalten. Zum Teufel, da verschwindet unser Abendessen, sagte er zwischen den Zähnen. Pour les employés, merci madame . Sind wir keine Angestellten? Ich frage mich immer, welches Verhältnis Croupiers zu Geld haben. Schließlich bekommen sie ihr Gehalt nicht in Jetons. Die meisten spielen nicht. Dafür haben sie zuviel gesehen. Der ganze Tisch blickte zu dir hin. Faites vos jeux . Die tätowierten Hände legten einen Stapel Jetons auf das Tuch. Genauer gesagt, auf die Transversale der , und . Dann bedeckte er auch noch die Ecken und plazierte zum Schluß einen hohen Jeton auf der Null. Du hattest noch immer nichts getan. Mit dem goldenen Jeton in der Hand standest du da, und ich wußte, was du tun würdest.Tico auch, denn ich hörte ihn unterdrückt winseln, nein, Paula, nein. Aber du hattest es bereits getan, mit einer langsamen, fast priesterlichen Gebärde. Die 23. Meine Zahl. Es kam die Null. Niemand sagte etwas. Tätowierung war der einzige, der auf die Null und die benachbarten Zahlen gesetzt hatte. Unter all dem, was er bekam, war natürlich auch dein Jeton. Tausend. Wenn die Kugel auf die 23 gefallen wäre, hättest du fünfunddreißigtausend bekommen. Der Croupier schob Tätowierung den ganzen Haufen zu, den er gewonnen hatte. Der fischte einen goldenen Jeton aus dem Überfluß und legte ihn vor dich hin. Du nahmst ihn, als wäre das normal, als wärt ihr schon seit Jahren zusammen. Ihr saht euch dabei nicht an. Faites vos jeux . Tico winselte wieder. Ein Hund, dessen Herr weggelaufen ist. Ich sah jetzt auch Nigel am Tisch stehen, und Merel.

    Oft gesehen, früher. Es scheint dann, als liefe da etwas zwischen dem Croupier und der Spielerin, denn eigentlich geschieht es nur bei Frauen, ein Spiel mit den Augen. Dabei geht es um den Bruchteil einer Sekunde, einen Beschwörungsversuch, von dem jeder weiß, er ist sinnlos. Die Kraft der Hand, die den Zylinder mit den Zahlen zum Kreisen bringt, der Wurf der Kugel, die hüpft und springt und noch einmal springt, bis sie endlich stilliegt, gefangen in der kleinen Zelle der heiligen Zahl.
    Die 23. Jetzt ging alles sehr schnell. Ich tue mich noch immer schwer mit der Tatsache, daß dies die letzten Sekunden waren, in denen wir dich sahen. Du schobst das Geld dem Mann neben dir hin, der es zurückschob. Einen Moment lang lag es da, fünfunddreißigtausend. Tico winselte, Nigel schaute quer über uns hinweg, Gilles zündete sich eine Zigarette an. Du nicktest dem Croupier zu, gabst ihm einen Jeton. Jetzt war es ein gerader Betrag. Du teiltest ihn in zwei. Der Mann war inzwischen aufgestanden und wartete. Du drehtest dich um, küßtest Tico, küßtest Merel, küßtest mich, kratztest mich mit dem Nagel am Hals, gabst die Hälfte deines Stapels Dodo und stecktest die andere Hälfte in die Tasche. Für schwierige Zeiten, sagtest du zu niemandem im besonderen und folgtest dem Mann aus dem Saal. Wirst du kaum erleben, sagte der Baron, als wir sie durch die Drehtür entschwinden sahen. Daß es ein Abschied war, wußten wir alle.

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