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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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Erzählung, »und was noch zu sagen wäre, ist nicht sehr wichtig. Es heißt, daß der junge Graf Collalto in seinem Leben nie wieder getanzt, und daß der Baron Juranic den Dienst quittiert hat, und mehr weiß ich nicht von ihnen. Der >Ecce homo< des hohen Rabbi Loew? Es war nicht Christus. Es war das Judentum, das durch die Jahrhunderte hindurch verfolgte und verhöhnte Judentum war es, das auf diesem Bild seine Leiden offenbart hat. Nein, geh nicht in die Judenstadt, du würdest es dort vergeblich suchen. Die Jahre, Wind und Wetter haben es zerstört, keine Spuren sind von ihm geblieben. Aber geh durch die Straßen, wo du willst, und wenn du einen alten jüdischen Hausierer siehst, der seinen Binkel von Haus zu Haus schleppt, und die Straßenjungen laufen hinter ihm her und rufen: >Jud! Jud!< und werfen mit Steinen nach ihm, und er bleibt stehen und sieht sie mit einem Blick an, der nicht der seine ist, der von seinen Ahnen und Urahnen herkommt, die wie er die Dornenkrone der Verachtung getragen und die Geißelhiebe der Verfolgung erduldet haben, — wenn du diesen Blick siehst, dann hast du vielleicht etwas, ein Kleines und Geringes, von dem >Ecce homo< des hohen Rabbi Loew gesehen.«
    Der Heinrich aus der Hölle

    Rudolf II., Römischer Kaiser und König von Böhmen, hatte eine schlaflose und unruhvolle Nacht.
    Schon gegen elf Uhr hatte seine Angst begonnen, die Angst vor etwas, dessen Kommen er vorhersah und das er nicht abwenden konnte, auch nicht, wenn er die Fenster und die Türe verriegelte. Er hatte sich von seinem Bett erhoben und ging, in seinen Mantel gehüllt, mit eiligen Schritten in der Schlafkammer auf und nieder. Bisweilen blieb er vor dem Fenster stehen und blickte hinaus, dorthin, wo hinter dem schimmernden Band des Flusses die Dächer und Giebel des Judenquartiers zu erkennen waren. Von dort war einst, vor Jahren, Nacht für Nacht, seine Liebste, die schöne Jüdin Esther, zu ihm gekommen. Das war vorüber seit jener Nacht, in der die Dämonen der Finsternis sie ihm aus den Armen gerissen hatten. Dort, in einem der Häuser des Judenquartiers, lag auch sein geheimer Schatz, sein verborgener Hort, das Gold und das Silber des Juden Meisl.
    Die Geräusche, die aus dem Hirschgraben zu ihm drangen, das Rascheln des welken Laubs, das der Wind dahintrieb, das Schwirren der Nachtfalter, das Rauschen der Baumkronen, der nächtliche Gesang der Wasserfrösche und der Unken, — alle diese Geräusche verwirrten ihn und vermehrten seine Unruhe. Dann, gegen ein Uhr, kamen die Schreckbilder und die Nachtgespenster.
    Es war halb zwei, als der Kaiser die Türe aufstieß und mit einem Stöhnen in seiner Stimme nach seinem Leibkammerdiener, dem Philipp Lang, rief.
    In diesen Tagen aber war der Philipp Lang wie alljährlich auf seinem Gut in Melnik bei der Obsternte. Statt seiner kam der Kammerdiener Cervenka atemlos, die Nachtmütze schief auf dem Kopf, herbeigelaufen. Mit einem Leinentüchlein wischte er behutsam die Schweißtropfen von des Kaisers Stirn.
    »Ich hab' Eure Majestät«, stieß er hervor, »oftmals treugehorsamst gemahnt, mehr auf höchstdero Gesundheit achtzuhaben, sich nicht der kalten Nachtluft auszusetzen. Aber auf einen alten Diener wird nicht gehört.«
    »Lauf und hol den Adam Sternberg und den Hanniwald!« gebot ihm der Kaiser. »Ich hab' mit ihnen zu reden. Und lauf zum Colloredo, er soll mir starken Wein reichen, Rheinfall oder Malvasier, bin dessen bedürftig.«
    Der Kaiser wußte genau, welcher von den drei Mundschenken und welcher von den elf Vorschneidern der kaiserlichen Tafel dem Turnus gemäß an jedem Tag der Woche den Dienst bei ihm zu versehen hatte. Aber er wußte nicht oder er hatte es vergessen, daß der Graf Colloredo etliche Wochen zuvor an einem Schlagfluß verstorben war und daß nun ein junger Graf Bubna das Amt eines zweiten Mundschenken bei Hof bekleidete.
    Der Hanniwald, des Kaisers Geheimsekretär, tratzuerstin die Kammer. Er war ein langer, hagerer Mann mit scharfen Zügen und silberweißem Haare, der Cervenka hatte ihn noch bei der Arbeit angetroffen. Bald hernach kam der Oberststallmeister Graf Adam Sternberg im Nachtgewand und mit nur einem Pantoffel. Der Kaiser ging mit eiligen Schritten in der Kammer auf und nieder, der Mantel war ihm von den Schultern geglitten. Jetzt blieb er stehen. In seinen Zügen drückte sich Erregung, Ratlosigkeit und Übermüdung aus. Er holte Atem und wollte zu erzählen beginnen, was ihm in dieser Nacht und in den beiden

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